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Rente
Kretschmann kritisiert Rente mit 63: Rentensystem ist darauf nicht ausgelegt
Laut Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist das deutsche Rentensystem nicht darauf ausgelegt, dass Menschen mit 63 in Rente gehen und fordert Änderungen.
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Foto: Bernd Weißbrod, dpa (Archivbild) | Laut Winfried Kretschmann, Ministerpräsident von Baden-Württemberg, ist das deutsche Rentensystem nicht darauf ausgelegt, dass Menschen mit 63 in Rente gehen und fordert Änderungen.
Sascha Geldermann
 |  aktualisiert: 11.07.2024 05:35 Uhr

Die Rente mit 63 abschaffen? Wenn es nach einigen Politikern und Ökonomen geht, würde die Antwort wohl ein klares "Ja" bedeuten, denn sie schlägt immer mehr Politikern und Ökonomen aufs Gemüt. Der Grund: Das Rentensystem ist marode und der akute Fachkräftemangel in Deutschland belastet es noch mehr. Winfried Kretschmann (Grüne), Ministerpräsident von Baden-Württemberg, kritisiert die Frühverrentung und sagt, dass Deutschland sich das nicht mehr leisten kann.

Kretschmann kritisiert Rente mit 63: Rentensystem ist darauf nicht ausgelegt

Wenn es nach Kretschmann geht, dann muss die Rente künftig mit einem anderen Blick betrachtet werden. "Wir müssen mit dem Rentenalter zielorientiert umgehen. Wer schwer körperlich gearbeitet hat, den muss man anders behandeln als jemanden, der noch körperlich und geistig fit ist", erklärte er gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Es würden immer mehr Menschen Wissensarbeit leisten und keine harten körperlichen Arbeiten. Kretschmann weiter: "Darauf müssen wir unser Rentensystem besser anpassen."

Als Problem sieht der baden-württembergische Ministerpräsident die Rente mit 63: "Wir können es uns nicht leisten, dass hauptsächlich eigentlich gesunde und gut verdienende Menschen mit 63 in Rente gehen." Die Rente mit 63 sei für diese Menschen gar nicht gedacht.

Laut Kretschmann gibt der wissenschaftliche Beirat des Bundeswirtschaftsministeriums an, dass ein großer Teil der Menschen, die früher in Rente gehen, gut ausgebildet seien, überdurchschnittlich verdienen und gesund seien. Seine Schlussfolgerung: "Es ist also eine irrige Annahme, die da rumgeistert, dass es hauptsächlich Dachdecker oder andere körperlich oder psychisch schwer arbeitende Menschen wären, die dieses Angebot nutzen." Ursprünglich sei die Frührente für Menschen gedacht gewesen, die nicht länger arbeiten können. "Ein Großteil derer, die das nutzen, müsste es aus gesundheitlichen Gründen nicht machen", sagte der Grünen-Politiker.

Außerdem würden die Menschen hierzulande immer älter und gleichzeitig immer länger gesund bleiben. "Das muss sich im Rentensystem auswirken, denn sonst muss der Bundeshaushalt ja immer mehr für die Rente aufbringen – und das ist auch eine Frage der Generationengerechtigkeit", erklärte Kretschmann.

Rente mit 63: Immer mehr Personen aus Politik und Wirtschaft fordern eine Rentenreform

Mit dieser Forderung steht der Ministerpräsident von Baden-Württemberg nicht mehr alleine da. In den vergangenen Wochen kritisierten immer mehr Politiker, aber auch Ökonomen die frühzeitige Rente, da Deutschland Tausende Arbeitskräfte fehlen. 

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) etwa würde die Rente mit 63 gerne abschaffen. Ökonom Bert Rürup würde es hingegen schon reichen, wenn der Zugang zur Rente mit 63 erschwert wird. Wenn die Menschen hierzulande später in den Ruhestand gehen würden, wäre ihre dringend benötigte Arbeitskraft länger verfügbar und der Fachkräftemangel könnte gemildert werden. Der Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz (Grüne), geht sogar noch weiter und sieht schon die Rente mit 67 Jahren nicht mehr haltbar.

Einige Menschen fürchten, dass es daher bald eine Rente mit 70 geben könnte. Das ist für die Zukunft zwar nicht ausgeschlossen, aber vorerst ist das nicht geplant. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) erklärte zuletzt, dass es mit ihm keine Erhöhung geben wird. Das maximale Renteneintrittsalter liegt aktuell bei 67 Jahren und dabei soll es auch erst einmal bleiben.

Außerdem ist zu beachten, dass die Rente mit 63 ohne Abschläge nur jenen vorbehalten war, die 45 Versicherungsjahre gesammelt haben und vor 1953 geboren wurden. Da die meisten Betroffenen wohl schon längst im Ruhestand sein dürften, gibt es die Rente mit 63 eigentlich gar nicht mehr. Zwar können auch spätere Jahrgänge in diesem Alter in Rente gehen, müssen aber eine Kürzung der Rente in Kauf nehmen.

Rente an die Lebenserwartung koppeln: Neues Renteneintrittsalter soll das Rentensystem entlasten

Statt das Renteneintrittsalter einfach nur zu erhöhen, sollte es stetig angepasst werden. So zumindest die Idee von Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung koppeln möchte. Da die Lebenserwartung in Deutschland immer weiter steige, müsse auch das Renteneintrittsalter dementsprechend angehoben werden. Folgende Formel erläuterte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe: Wenn die Lebenserwartung um ein Jahr steige, sollen zwei Drittel dieses Jahres für die Erwerbsarbeit zur Verfügung stehen und ein Drittel für den Ruhestand.

Menschen, die gesundheitliche Einschränkungen haben, müssten von diesem Modell ausgenommen werden. Bereits jetzt können allerdings Menschen mit einer Schwerbehinderung und mit bestimmten Krankheiten früher in Rente gehen.

Diesen Vorschlag, das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung zu koppeln, unterstützt auch CDU-Vorsitzender Friedrich Merz. Gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung erklärte er, dass es nicht mehr darum gehen kann "ob wir mit 67 oder 70 Jahren in Rente gehen sollen". Seine Idee: "Besser wäre es, die steigende Lebenserwartung in zusätzliche Arbeit und zusätzlichen Rentenbezug aufzuteilen."

Rentenreform: Ökonom fordert, dass Beamte und Selbstständige in die gesetzliche Rentenkasse einzahlen

Um das Rentensystem auf einem anderen Weg zu unterstützen, fordert Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), dass in Zukunft auch Selbstständige und Beamte in die Rentenkasse einzahlen.

Konkrete Pläne für eine Rentenreform egal in welcher Art und Weise gibt es derzeit aber noch nicht. Allerdings sind Bundesfinanzminister Lindner und Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) gerade dabei die Aktienrente beziehungsweise das Generationenkapital auf den Weg bringen. Damit soll die Rente künftig auch vom Aktienmarkt mitfinanziert werden und so der Druck aus dem maroden System, dass vom Staat jährlich durch Milliarden bezuschusst wird, genommen werden.

Da es durch den demographischen Wandel immer mehr Rentner gibt, dafür aber immer weniger arbeitende Menschen, die diese Renten finanzieren, gerät das Rentensystem aufgrund des Umlageverfahrens in Schieflage.

Übrigens: Es gibt bereits die Möglichkeit der sogenannten Flexi-Rente. Damit kann der Übergang vom Berufsleben in den Ruhestand individuell gestaltet werden. Wer also auch in der Rente arbeiten möchte, kann das tun. Fleißige bekommen dafür sogar einen Zuschlag zur Rente. Und wer nicht solange arbeiten möchte und lieber jung in Rente geht, kann das mit ein paar Tricks tun.

 
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