Arbeitnehmer, die unter Stuhlinkontinenz leiden, haben einen Anspruch auf Erwerbsminderungsrente. Das entschied im Dezember 2020 das Landessozialgericht Baden-Württemberg. Es ging um eine Klage einer Frau, die im Pflegedienst tätig war und seit einigen Jahren an einer Morbus-Crohn-Erkrankung litt. Die Krankheit war mit blutigem Durchfall und plötzlicher und unvorhersehbarer Dranginkontinenz verbunden.
Wie der deutsche Anwaltverein auf seiner Website berichtet, beantragte die Frau die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente, da sie nicht zur Arbeit fahren konnte. Sie hatte keinen Führerschein und öffentliche Verkehrsmittel konnte sie nicht nutzen, da dort das Risiko der Stuhlinkontinenz zu groß war. Ihr Antrag wurde jedoch abgelehnt, wogegen die Frau dann klage und schließlich Recht bekam.
Erwerbsminderungsrente: Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel ist mit Stuhlinkontinenz nicht zumutbar
Das Gericht entschied, dass es der Frau nicht zumutbar war, auf die öffentlichen Verkehrsmittel zu setzen, die entweder – wie Busse oder U-Bahnen – keine Toiletten hatten oder – wie Regionalzüge – Toiletten in nicht „quantitativ ausreichender und funktionell zuverlässiger Weise“ hatten.
Auch Einlagen zu nutzen, konnte der Frau nicht zugemutet werden. Der Einsatz von Einlagen sei bei Harninkontinenz möglich, jedoch nicht bei Stuhlinkontinenz. Die Erwerbsminderungsrente wurde befristet zugesprochen, denn das Gericht schloss nicht aus, dass im Rahmen einer Therapie eine Besserung der Krankheit der Frau eintreten könnte.
Was bedeutet Erwerbsminderungsrente?
Die in der Klage betroffene Frau erhält nun also eine Erwerbsminderungsrente. Das bedeutet, dass sie aufgrund einer Krankheit oder Behinderung dauerhaft nur noch weniger als drei Stunden pro Tag arbeiten kann und deshalb vom Staat finanziell unterstützt wird, um nicht auf ein Arbeitseinkommen angewiesen zu sein. Dabei spielt es, anders als der Zusatz "-rente" vermuten lässt keine Rolle, in welchem Alter sich die Frau befindet.
Eine halbe oder volle Erwerbsminderungsrente beziehen aktuell in Deutschland laut Stiftung Warentest über 1,8 Millionen Menschen. Besonders durch die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Long-Covid-Erkrankungen kamen viele Bezieher dazu, wie das Deutsche Ärzteblatt berichtet.
Wer kann eine Erwerbsminderungsrente beantragen?
Wer eine Erwerbsminderungsrente beantragen kann und wie hoch die Unterstützung ausfällt, ist sehr genau geregelt. Viele Anträge scheitern, weshalb es wichtig ist, genau darüber informiert zu sein, wie das System funktioniert. Aber auch wenn der Antrag gescheitert ist, kann es sinnvoll sein, weiter an dem Thema dranzubleiben, wie der Fall der Frau mit Morbus-Crohn zeigt.
Einige Bedingungen sind unbedingt zu erfüllen, bevor eine Erwerbsminderungsrente beantragt werden kann, wie die Deutsche Rentenversicherung erklärt. So müssen Betroffene vor Eintritt in die Erwerbsminderung mindestens fünf Jahre in der Deutschen Rentenversicherung versichert gewesen sein. Zudem müssen sie mindestens während drei dieser Jahre Pflichtbeiträge an die Rentenversicherung gezahlt haben. Sind diese Bedingungen nicht erfüllt, wird keine Erwerbsminderungsmiete gewährt werden.
Im Durchschnitt betrug eine volle Erwerbsminderungsrente im Jahr 2021 laut dem Portal finanztip.de 917 Euro im Monat. Dieser Betrag soll aber ab dem 1. Juli 2024 um 7,5 bzw. 4,5 Prozent steigen, je nachdem ob man vor dem Juli 2014 in die Erwerbsminderungsrente gegangen ist oder danach.