Schwarzer Mantel, Gummistiefel, betroffener Blick: So war Bundeskanzler Olaf Scholz am Montagvormittag nach Reichertshofen gekommen, wo er der Katastrophe regelrecht ins Auge sehen konnte. Neben Ministerpräsident Markus Söder, Innenministerin Nancy Faeser und ihrem bayerischen Amtskollegen Joachim Herrmann stand er am Ufer der Paar und schaute auf die braunen Wassermassen, die sich durch die Marktgemeinde wälzten. Eine halbe Stunde zuvor war es hektisch geworden, die Einsatzkräfte der Wasserwacht hatten sich bereit gemacht für einen Einsatz. Doch schon bald kam Entwarnung: Es war doch niemand in die Fluten geraten.
Reichertshofen ist einer jener Orte, die in den vergangenen Tagen mit am schlimmsten vom Hochwasser betroffen waren. Ein Umspannwerk war überflutet worden und musste vom Netz genommen werden, in einigen Bereichen fiel der Strom aus, Teile des Orts waren noch am Sonntagabend von den Wassermassen eingeschlossen. Personen waren dort aber nicht zu Schaden gekommen. Ganz im Gegensatz zu Pfaffenhofen, wo ein Feuerwehrmann mit seinem Boot gekentert war und diesen Unfall nicht überlebt hatte.
Scholz machte sich in Reichershofen ein Bild der Hochwasser-Lage
Während in Reichertshofen bereits die ersten Aufräumarbeiten anlaufen und das Wasser aus vielen Kellern gepumpt wird, weil die Pegel der Paar leicht sinken, und auch die A9 zwischen Ingolstadt-Süd und Langenbruck nicht mehr komplett gesperrt ist, können die Menschen weiter im Norden des Landkreises Pfaffenhofen am Montag noch nicht aufatmen. Drei Dämme sind inzwischen gebrochen, der letzte am Montagfrüh im Manchinger Ortsteil Pichl. Die Gemeinde hat morgens um 6 Uhr über die sozialen Medien "so viele Helferinnen und Helfer wie möglich" gesucht, um am Feuerwehrhaus in Vier-Stunden-Schichten Sandsäcke zu füllen.
800 Menschen aus den betroffenen Gebieten durften am Vormittag noch immer nicht zurück in ihre Häuser, 250 von ihnen waren in der Turnhalle in Reichertshofen untergebracht.
Im Bereich Lindach musste die B16 gesperrt werden und auch in Vohburg bereitet man sich auf ein Hochwasser vor. Dort, wo die Paar in die Donau mündet, werden die Dämme verstärkt; auch, wenn man damit rechnet, dass es wegen der sinkenden Pegel zu keinen größeren Überflutungen kommen dürfte.
50.000 Menschen waren in den vergangenen Tagen bayernweit im Einsatz, haben Sandsäcke befüllt oder Menschen aus ihren Häusern gerettet. An einige von ihnen richtete Olaf Scholz vor Ort direkt seinen Dank. Das Kommen des Bundeskanzlers sei den Rettungskräften gegenüber eine Wertschätzung, betonte auch Albert Gürtner, Landrat des Kreises Pfaffenhofen. Bewusst habe man für den Besuch von Scholz einen Ort gewählt, der zu dieser Zeit nicht mehr der Hotspot der Katastrophe gewesen sei. Ansonsten wäre laut Gürtner die Gefahr zu groß gewesen, dass Einsätze durch den Rummel behindert worden wären. Der Bundeskanzler sicherte die Unterstützung des Bundes zu, betonte aber auch, dass alles getan werden müsse, um den menschengemachten Klimawandel aufzuhalten.
Olaf Scholz im Hochwasser-Gebiet: Hubschrauber der Polizei kreiste über Reichertshofen
Während die Politikerinnen und Politiker sich ein Bild vor Ort machten, kreiste über ihren Köpfen immer wieder ein Polizeihubschrauber. Die Besatzung von "Edelweiß" überflog die überfluteten Gebiete, um sich einen Eindruck aus der Luft von den Ausmaßen des Hochwassers zu machen. Dabei stellte sie nach Auskunft des Landratsamts Pfaffenhofen auch Öl-Verunreinigungen fest, entsprechende Spezialkräfte sind angefordert worden.
Trotz der Katastrophe kann Landrat Albert Gürtner den vergangenen Tagen etwas Positives abgewinnen. Denn die Zusammenarbeit aller Einsatzkräfte habe reibungslos funktioniert und die Entscheidung, bereits im Vorfeld alle Strukturen für eine mögliche Katastrophe vorzubereiten, "ist Gold wert gewesen".
Das Hochwasser hat auch Auswirkungen auf Unternehmen in der Region. Airbus in Manching hat seine Mitarbeitenden aufgefordert, am Montag und auch am Dienstag zu Hause zu bleiben. „Wir beobachten die Lage gemeinsam mit den zuständigen Behörden weiter aufmerksam", wird der Manchinger Standortleiter Andreas Hammer in einer Mitteilung zitiert. Das Audi-Werk ist zwar nicht direkt vom Hochwasser betroffen, hat aber dennoch vorsichtshalber die Früh- und Spätschicht am Montag gestrichen. Am Dienstag soll die Produktion aber wieder reibungslos laufen.