Die Dealer waren offenbar gut im Geschäft. Als die Polizei vor wenigen Wochen mehrere Wohnungen und Geschäftsräume im Großraum Augsburgund darüber hinaus auf den Kopf stellte, beschlagnahmten die Beamten unter anderem zwei Kilogramm Kokain, ein ganz schönes Paket. Ein Gramm des weißen Pulvers wird in der Region nach Erkenntnissen der Ermittler auch mal für 100 Euro verkauft, es hätte also schnell eine sechsstellige Summe zusammenkommen können, hätte die Polizei nicht zugeschlagen. Die Großrazzia, der inzwischen weitere Durchsuchungen folgten, könnte sich zu einem der größten Drogenverfahren in Augsburg der vergangenen Jahre ausweiten. Es ist auch ein Fall, der zeigt, wie sehr illegale Rauschgiftgeschäfte in der Region ein Thema sind, trotz rückläufiger Zahlen.
Denn in den vergangenen Jahren erfassten die Beamten eigentlich deutlich weniger Drogendelikte in und um Augsburg als in den Jahren zuvor, wie aus der Kriminalstatistik der Polizei hervorgeht. Wenn die Polizei wegen Rauschgiftdelikten ermittelt, geht es dabei meistens um Marihuana, das ist seit Jahren so. Laut den aktuellsten Zahlen der Kriminalstatistik, die für das Jahr 2022 vorliegen, gab es in dem Jahr in Augsburg 163 Fälle des illegalen Drogenhandels, die von den Ermittlern erfasst wurden. In mehr als der Hälfte der Fälle handelten die Verdächtigen demnach mit Cannabis. Andere Drogen– etwa Heroin, Kokain, Crystal Meth und LSD – spielen offenbar in der Stadt nur eine sehr geringe Rolle, Amphetamine und sogenannte Kräutermischungen eine etwas größere. Dennoch gibt es in allen Bereichen einen deutlichen Rückgang, waren es doch 2019 noch 371 Fälle des Drogenhandels im Stadtgebiet gewesen, die von der Polizei notiert worden waren, also mehr als das Doppelte im Vergleich zu vergangenem Jahr.
Kriminalität in Augsburg: Polizei fasst einen Großdealer
Eine auf dem Papier eindrucksvolle Entwicklung. Wirklich aussagekräftig sind die Zahlen allerdings nicht, was die tatsächliche Situation der Kriminalität in diesem Bereich angeht. Rauschgiftkriminalität ist ein sogenanntes Kontrolldelikt, das heißt, die Entwicklung dieser Zahl hängt maßgeblich davon ab, wie oft die Polizisten in dem Milieu kontrollieren. 2022 kontrollierten sie offenkundig seltener als in den Vorjahren, was offenbar auch damit zu tun hat, dass viele Beamte im vergangenen Jahr bei verschiedenen Demos in der Stadt und beim G-7-Gipfel in Bayern gebunden waren.
Generell geht es der Kriminalpolizei vor allem darum, große Händler zu erwischen, was keine ganz einfache Aufgabe ist, da Bestellungen vielfach über das Internet abgewickelt werden können, etwa über das sogenannte Darknet, in dem man als Nutzer anonym agieren kann. Geliefert werden die Drogen dazu nicht mehr unbedingt von einem Dealer vor Ort, auch der Postversand spielt eine immer größere Rolle. Dennoch gingen den Ermittlern in den vergangenen Jahren einige dicke Fische ins Netz – darunter eine Gruppierung um einen Mann, der sich "Marvin" nannte und ein kleines Geschäft im Schwabencenter gekauft hatte, um hinter der Fassade einen florierenden Drogenhandel aufzuziehen.
Der Drogenring in Augsburg soll mit so ziemlich allem gedealt haben
Auch im jetzigen Verfahren gegen die Gruppierung, deren mutmaßliche Mitglieder größtenteils aus dem Großraum Augsburg stammen, hatte die Polizei offenbar monatelang im Hintergrund ermittelt, ehe sie Wohnungen, Lagerflächen und Läden in Gersthofen, Augsburg, Bobingen, Schwabmünchen und andernorts durchsuchte und eine Reihe von Verdächtigen festnahm. Inzwischen sitzen sieben Beschuldigte in Untersuchungshaft, sie sind zwischen 21 und 59 Jahren alt, stammen also aus unterschiedlichen Generationen und wirken auch sonst nicht gerade homogen. Nach Informationen unserer Redaktion gehen die Ermittler davon aus, dass die Gruppe in den Handel mit unterschiedlichen Drogen involviert gewesen sei, etwa Koks, Heroin, Marihuana und Ecstasy; zuletzt fanden die Beamten bei einem 32-Jährigen auch ein Labor zur Herstellung von Amphetaminen.
Die Ermittlungen in dem Verfahren dürften noch Monate andauern, viele Fragen sind offen. Klar ist allerdings: Die Bande soll die Drogen teils aus den Niederlanden bezogen und von dort aus in den Raum Augsburg transportiert haben; ein 59 Jahre alter Mann fungierte offenbar als Drogenkurier, der die Fahrten mit seinem Autoübernahm. Die Verdächtigen werden von verschiedenen Anwälten vertreten, darunter die Augsburger Strafverteidiger Ralf Schönauer und Marco Müller. Beide wollten sich auf Anfrage nicht zu den Vorwürfen gegen ihre Mandanten äußern.