
Das Restaurantin Augsburg ist oft gut besucht. Es gibt asiatische Küche, viele Sitzplätze, ein bezahlbares Mittagsbüfett, anständiges Essen – eine Kombi, die offenbar zieht. Am 19. Mai 2019 allerdings kamen aus Sicht der Betreiber ungebetene Gäste ins Haus: Beamte der Steuerfahndung rückten mit einem Durchsuchungsbeschluss und einem Haftbefehl an, sie interessierten sich für Buchungsbelege, Menükarten, die Kassen. Ganz besonders für die Kassen. Denn die Ermittler hegten zu dem Zeitpunkt bereits einen Verdacht, der sich später erhärten sollte. Sie vermuteten, dass in dem Betrieb vieles nicht ganz sauber gelaufen sei.
Inzwischen sind vier Verantwortliche des Restaurants vor dem Amtsgericht angeklagt, drei Männer und eine Frau, alle haben sie chinesische Wurzeln. Es geht um den Vorwurf, dass sie bei Abgaben an den Staat getrickst haben sollen, und das nicht gerade in kleinem Stil. Insgesamt sollen sie vier über eine Million Euro Steuern hinterzogen haben, die jeweiligen Vorwürfe gegen sie wiegen aber unterschiedlich schwer. Den Ermittlungen zufolge haben sich die Delikte im Zeitraum von 2011 bis zur Razzia im Mai 2019 zugetragen; eine 55-jährige Frau, die von der Staatsanwaltschaft als faktische Geschäftsführerin der Betreiberfirma hinter dem Restaurant gesehen wird, musste kurzzeitig in Untersuchungshaft, die Ermittler beschlagnahmten bei ihr rund 230.000 Euro.
Prozess in Augsburg: Gastronomen sollen Steuern hinterzogen haben
Der Kernvorwurf: In dem Restaurant sollen mithilfe spezieller Programme die Kassen manipuliert worden sein, um Einnahmen vor dem Staat zu verschleiern. Es sind Vorwürfe, die in der Branche nicht neu sind; erst kürzlich etwa wurde Promikoch Alfons Schuhbeck wegen ähnlicher Delikte in München zu einer Haftstrafe verurteilt. Die Augsburger Angeklagten bezahlten laut Anklage auch beim Einkauf schwarz, beim Lohn des Personals soll es ebenfalls Tricksereien gegeben haben.
Dass es sich wohl nicht nur um Versehen in der Buchhaltung gehandelt haben dürfte, legt die Arbeitsteilung nahe, die die Ermittler den Verdächtigen nachgewiesen haben wollen. Ein Ehepaar, das wohl faktisch die Geschäfte führte, gab demnach an, in einem gewöhnlichen Angestelltenverhältnis mit der Firma hinter dem Betrieb zu stehen. Ein auf dem Papier im Handelsregister eingetragener Chef soll hingegen als Kellner gearbeitet haben.
Razzia im asiatischen Restaurant in Augsburg: Gab es Hintermänner?
Am ersten Prozesstag vor dem Schöffengericht unter Leitung von RichterBernhard Ging gab es ein Rechtsgespräch zwischen Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigern. Zu einer Verständigung, welche Strafen im Falle eines Geständnisses folgen könnten, kam es zunächst allerdings nicht. Bei der 55-jährigen Frau, die von den Ermittlern als Haupttäterin ausgemacht wurde, sieht Staatsanwalt Sebastian Ehinger derzeit auch im Falle eines Geständnisses keine Chance auf eine Bewährungsstrafe – außer, wenn die Frau etwaige Hintermänner nennen würde. Ein relevantes Detail, bedeutet es doch, dass die Ermittler vermuten, dass die angeklagten Taten in einem größeren Zusammenhang krimineller Strukturen stehen könnten.
Ein Einzelfall ist das Verfahren in Augsburg nicht. Nach Informationen unserer Redaktion ermittelt die Staatsanwaltschaft seit Monaten gegen einen anderen Augsburger Gastronomen wegen eines ähnliches Verdachtes; der Mann soll ebenfalls mit Manipulationssystemen Einnahmen geringer gerechnet haben, als sie tatsächlich waren. Erst vor wenigen Monaten kam es in einem anderen Betrieb, einem italienischen Restaurant in der Innenstadt, zu einer Razzia der Steuerfahndung und der Polizei; die Beamten waren sogar mit Hunden angerückt, blieben über mehrere Stunden, durchforsteten die Räume und überprüften die Unterlagen, anwesende Gäste befragte sie zu Bestellungen und Rechnung. Anfragen zu den Hintergründen dieses Einsatzes beantwortet das Finanzamt nicht.