Umgang mit demenzkranken Menschen, vermeidbare Krankenhauseinweisungen und problematische Arzneimittelgaben: Bei der Versorgung von Menschen in Einrichtungen der Langzeit-Pflege, wie einem Pflegeheim, gibt es in der Qualität regional erhebliche Unterschiede. Das zeigt der aktuelle Pflegereport des Wissenschaftlichen Instituts des AOK-Bundesverbands (WIdO). Welche Probleme aber auch Verbesserungen es bei der Versorgung von Bewohnerinnen und Bewohnern in Pflegeheimen gibt, lesen Sie hier.
Pflegereport 2023: Was wurde ausgewertet?
Für den Pflegereport 2023 hat das WIdO einer Pressemitteilung zufolge Abrechnungsdaten aus dem Jahr 2021 von Pflege- und Krankenkassen ausgewertet, um die Versorgungsqualität in der Langzeit-Pflege transparent zu machen. Für die Analyse wurden die Daten der elf AOKs (Allgemeine Ortskrankenkassen) in Deutschland ausgewertet. So sind die Daten von rund 350.000 Pflegeheim-Bewohnerinnen und Bewohnern ab 60 Jahren - das entspricht dem WIdO zufolge etwa der Hälfte aller stationär versorgten Pflegededürftigen in Deutschland - in die Auswertung eingeflossen.
Insgesamt wurden im Pflegereport 2023 zehn Qualitätsindikatioren in der Pflege genauer unter die Lupe genommen. Die sind in drei Kategorien eingeteilt:
Fehlende Prophylaxe und Prävention:
- Unzureichende Flüssigkeitszufuhr bei Demenz
- Auftreten von Dekubitus (Wundliegen)
- Fehlende augenärztliche Vorsorge bei Diabetes
Kritische Arzneimittelversorgung:
- Dauerverordnung von Antipsychotika bei Demenz
- Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln
- Kombination von neuen oder mehr Wirkstoffen
- Einsatz von für Ältere ungeeignete Medikation
Vermeidbare Krankenhausaufenthalte:
- Krankenhausaufenthalte am Lebensende
- Kurze Krankenhausaufenthalte
- Sturzbedingte Krankenhausaufenthalte
Pflegereport 2023: Welche Probleme gibt es in der Langzeit-Pflege?
Als besonders problematische Erkenntnisse aus dem Pflegereport 2023 hebt das WIdO zwei Punkte besonders hervor: Unzureichende Flüssigkeitszufuhr bei Demenz und Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln.
Ein wichtiger Punkt in der Pflege ist die Verordnung von Schlaf- und Beruhigungsmitteln. "Eigentlich sollten pflegebedürftige Menschen maximal vier Wochen mit den untersuchten Schlaf- und Beruhigungsmitteln behandelt werden", erklärt Antje Schwinger, Forschungsbereichsleiterin Pflege beim WIdO. Denn bei einer Dauereinnahme könnten unter anderem Abhängigkeit, erhöhte Sturzgefahr und die Entstehung von Angstgefühlen, Depressionen und Aggressionen die Folge sein. Dem Pflegereport zufolge wurden besagte Medikamente trotzdem bundesweit bei 7,6 Prozent der Pflegebedürftigen dauerhaft verordnet.
Hier bestehe ein ernsthaftes Versorgungsproblem, "das regional sehr unterschiedlich ausgeprägt ist", sagt Schwinger. Denn im Viertel der Regionen mit den besten Ergebnissen lag der Satz bei maximal 4,7 Prozent und im Viertel mit den schlechtesten Ergebnissen bei mindestens 9,9 Prozent. Dabei kam eine risikoreiche Dauerverordnung von Beruhigungs- und Schlafmitteln in den westlichen Bundesländern deutlich häufiger vor als im Osten. Insbesondere das Saarland sowie Nordrhein-Westfalen hebt das WIdO hier hervor.
Ebenfalls hervorgehoben hat das WIdO die Ergebnisse zu Klinikeinweisungen von Demenzkranken wegen Dehydration. Auch hier zeigen sich regionale Unterschiede. Bundesweit sind dem Pflegereport 2023 zufolge 3,8 Prozent der Pflegebedürftigen davon betroffen. Im besten Viertel sind es 2,7 Prozent und im schlechtesten 4,9 Prozent. Insbesondere Pflegeheime in Kreisen in Bayern - vor allem an der deutsch-tschechichen Grenze -, in Niedersachen, im Süden von Rheinland-Pfalz und in Nordrhein-Westfalen schnitten hier schlecht ab. Dem WIdO zufolge führte unzureichende Flüssigkeitszufuhr in den 20 Kreisen mit den auffälligsten Werten bei 7,5 bis 12,5 Prozent der Pflegeheim-Bewohnerinnen und Bewohner mit Demenz zu einem Krankenhausaufenthalt.
Übrigens: Auch Gewalt in der Pflege ist ein immer wiederkehrendes Problem. Betroffene können sich aber auch Hilfe holen.
Pflegereport 2023: Welche Verbesserungen gibt es in der Langzeit-Pflege?
Der Pflegereport 2023 zeigt nicht nur negative Entwicklungen. Dem WIdO zufolge zeigt sich ein positiver Trend was vermeidbare Klinikaufenthalte am Lebensende angeht. So sank der Anteil der Pflegebedürftigen, die in ihren letzten 30 Lebenstagen einen Aufenthalt im Krankenhaus hatten, von bundesweit 47 Prozent im Jahr 2017 auf 42 Prozent im Jahr 2021. "Allerdings bleibt abzuwarten, ob dies nur ein vorübergehender Trend infolge der gesunkenen Fallzahlen in der Pandemie ist", erklärt Schwinger.
Auch in diesem Punkt gibt es übrigens regionale Unterschiede, die laut dem WIdO auch schon 2017 bestanden. So ist das Saarland bei den Krankenhauseinweisungen am Lebensende mit 49,5 Prozent im Jahr 2021 weiterhin Spitzenreiter. Trotzdem ist die Zahl gesunken - 2017 waren es noch 55 Prozent. Am anderen Ende der Skala liegt Sachsen mit 36 Prozent in 2021 und 43 Prozent in 2017.
Übrigens: Die Ergebnisse seiner Auswertung hat das WIdO auch im neuen Online-Portal "Qualitätsatlas Pflege" veröffentlicht. Hier können auch die Ergebnisse für die einzelnen Bundesländer und für die rund 400 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland im regionalen Vergleich dargestellt werden.