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Neu-Ulm, Vöhringen
Insekten im Brot? So funktioniert das Backen mit dem "Superfood"
Insekten auf dem Teller sind noch eine absolute Ausnahme. Ein Unternehmer aus Neu-Ulm will das ändern. So hat unser Backversuch mit Insekten geklappt.
108071467.jpg       -  Solche Hausgrillen können, zu Mehl zermahlen, auch beim Backen verwendet werden.
Foto: Visarut Sankham/dpa (Symbolbild) | Solche Hausgrillen können, zu Mehl zermahlen, auch beim Backen verwendet werden.
Rosaria Kilian
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:17 Uhr

Viele Menschen hadern mit dem Gedanken, ihren Speiseplan um Würmer und Käfer zu erweitern. Doch fragt man Marco Schebesta, einen jungen Unternehmer aus Neu-Ulm, spräche einiges dafür. Und auch die Europäische Union hat vor einigen Wochen zwei neue Insektenarten, nämlich Hausgrillen und Buffalowürmer, als Lebensmittel zugelassen. Veronika Beck aus Vöhringen ist Hobbybäckerin und testet für unsere Redaktion, ob man aus dem proteinreichen Superfood ein schmackhaftes Brot backen kann.

Berührungsängste mit den neuen Zutaten hat sie nicht. Mit geübter Hand füllt sie die Zutaten in die Schüssel ihres Rührgeräts. Mehl, Hefe, Wasser und dann noch ein guter Löffel Heimchen-Mehl. "Ich nehme einen Teil Insekten auf zehn Teile Vollkornmehl", erklärt sie. Der Garkorb steht schon bereit, den Teig gibt Beck für die Gehzeit hinein. Die Vorbereitung sei wie mit herkömmlichen Zutaten: "Das ist kein Hexenwerk."

Gebäck mit Insekten? "Optisch ein Fall für sich"

Beck ist passionierte Plätzchenbäckerin. Letztes Jahr habe sie vor Weihnachten 65 verschiedene Sorten gebacken. Sie sei einfach sehr experimentierfreudig, erklärt sie. Im Supermarkt sei sie schon mal über Produkte aus Insekten gestolpert, in den Einkaufswagen gekrabbelt seien ihr aber noch nie welche. Heute backt sie zum ersten Mal mit gerösteten Mehlwürmern und Mehl aus Heimchen, also Hausgrillen.

Mit viel Fantasie geht Beck an die ungewohnten Zutaten: Pancakes, Florentiner, Schokokekse – alles peppt sie mit einer großen Prise Krabbeltierchen auf. Das Mehl ist kein Problem für die Hobbybäckerin, die Würmer allerdings kosten sie ein wenig Überwindung. "Zum Rantasten“ entscheidet sie sich, weniger als die vorgeschriebene Menge Mehlwürmer unter die Haferflocken und Nüsse der Florentiner zu mischen. Als sie die frisch gebackenen Plätzchen, die mit kleinen braunen Würmchen durchzogen sind, wenig später aus dem Ofen nimmt, sagt sie: "Optisch ein Fall für sich." Der Geschmack aber überzeugt. Die Mehlwürmer schmecken nussig, die knusprige Konsistenz passt gut in Riegel und Kekse.

Insekten in Lebensmitteln sind eine gute Proteinquelle

Für Marco Schebesta, Inhaber des Neu-Ulmer Unternehmens "Catch-your-bug", gehören Insekten schon seit Längerem auf den Speiseplan. Vor allem die Nährwerte von Grillen, Würmern und Larven sprächen für sich. Der hohe Eiweißgehalt sei bekannt, sagt Schebesta. Er betont aber besonders, dass Insekten das komplette Aminosäurenprofil aufwiesen. Viele Menschen, die sich aus einem Nachhaltigkeitsgedanken für eine vegetarische Ernährung entscheiden, haben laut Schebesta mit der Versorgung dieser Mikrostoffe Probleme. Die Haltung in großen Züchtereien sei zudem unbedenklich: Da es sich bei Insekten um wechselwarme Tiere handelt, passe sich ihr Energieverbrauch der Außentemperatur an. Anders als bei Säugetieren ist die Futterverwertung also höchst effizient. Und auch die Tötung der Insekten hält Schebesta für ethisch vertretbarer als die von Säugetieren: Er erklärt, dass die Tiere zur Verarbeitung schockgefrostet werden, was bei wechselwarmen Insekten einem natürlichen Prozess gleichkommt.

Die Mehlwürmer, die Veronika Beck in ihrer Küche in Vöhringen zu Keksen verbackt, verfügen außerdem über einen hohen Anteil ungesättigter Fettsäuren. Schebesta erklärt: "Die können locker mit Fisch mithalten." Die Produkte von "Catch-your-bug" kann man in Supermärkten in der Region kaufen. Außerdem arbeite er mit der Landesberufsschule für Hotellerie und Gastronomie zusammen und beliefere auch einige Restaurants mit seinen Insekten. Seine Zulieferer kommen allesamt aus Deutschland, verarbeitet werden die Produkte in Neu-Ulm. Ein regionales Erzeugnis, mit dem man die konventionelle Tierhaltung umgehen kann, betont Schebesta.

Marco Schebesta von "Catch-your-bug": "Die Debatte ist völlig haltlos"

Die meisten Menschen hätten Berührungsängste mit Käfern und Würmer, aber es sei in den vergangenen Monaten schon viel besser geworden, sagt Schebesta. Er gibt zu bedenken, dass die Zulassung für Insekten als Lebensmittel erst 2021 offiziell erteilt wurde. Die Zulassung durch die EU hält er für einen wichtigen Schritt: "Wenn die Leute Insekten im Supermarkt sehen, merken sie, es handelt sich um ein sicheres Lebensmittel." Schebesta glaubt an die Branche: "Es ist halt neu. Sushi war am Anfang auch ein Arme-Leute-Essen und hat sich erst zu der Delikatesse entwickelt, die es heute ist."

Die Empörungswelle, die die Zulassung der zwei neuen Insektenarten nach sich gezogen hat, habe Schebesta nicht überrascht. Er sagt: "Die Debatte ist völlig haltlos". Niemand müsse sich Sorgen machen, die Krabbeltiere untergejubelt zu bekommen. "Insekten sind deren wertvollste Zutat, warum sollte ein Bäcker das verschweigen?", sagt Schebesta. Verschweigen dürften Lebensmittelhersteller es auch gar nicht, wenn sie Käfer beimischen, erklärt Elisa Neutatz, Ernährungsexpertin beim Verbraucherservice Bayern: "Wie alle Zutaten müssen die Hersteller auch Insekten in der Zutatenliste aufführen." Allein Allergikerinnen und Allergikern rät Neutatz zu Vorsicht.

Die Rezepte für Brot und Plätzchen mit Insekten hat Veronika Beck allesamt im Internet gefunden, reichlich gebe es davon auf Blogs und Rezeptseiten. Die Rezepte stuft sie als relativ einfach ein, meist sei lediglich eine klassische Zutat durch Insekten ausgetauscht. Als Letztes ist bei ihrem Backtag das Brot an der Reihe: Beck klopft von unten an den frischen Laib Brot. "Wenn er gut ist, klingt er hohl", erklärt sie. Das Heuschrecken-Brot besteht den Test. "Gute Kruste. Geschmacklich kann man da eigentlich gar nichts sagen", lautet das wohlwollende Urteil. Im gebackenen Zustand vergesse man fast, dass man da Heuschrecken und Mehlwürmer esse. Wird sie nochmal mit Insekten backen? "Das Mehl: okay. Die Würmer: wahrscheinlich weniger." 

 
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