zurück
Augsburg
Augsburger Jazzclub sagt alle Konzerte ab – weil das Publikum fehlt
Wegen mangelnder Kartenverkäufe sagt der Augsburger Jazzclub bis Weihnachten alle Konzerte ab. Seit 2015 war das Kellerlokal eine feste Größe. Droht nun das Ende?
Birgit Müller-Bardorff
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:24 Uhr

Nur langsam ist nach den Corona-Lockdowns, als alle Veranstaltungen abgesagt wurden, das Kulturleben wieder in Gang gekommen. Aber immer noch klagen Künstler, Veranstalter und Agenturen über den teils rapiden Rückgang der Besucherzahlen. Nicht nur, dass es offenbar viele Menschen, die früher gern zu Konzerten und Theatervorstellungen gingen, mittlerweile eher zu den Streaming-Plattformen zieht, auch der Ukraine-Krieg und die zunehmend angespannte wirtschaftliche Situation werden dafür verantwortlich gemacht. In Augsburg zieht nun der erste Veranstalter die Reißleine: Der Jazzclub sagt bis auf Weiteres alle bis Weihnachten geplanten Konzerte ab. Nur der Premieren-Auftritt der neu gegründeten Jazzkapelle Augsburg am 31. Oktober wird in dem Kellerlokal in der Philippine-Welser-Straße stattfinden.

Nur 43 Karten wurden bisher für die Konzerte im Jazzclub Augsburg verkauft

Die gedrückte Stimmung des Vorsitzenden des Vereins, der Betreiber des Augsburger Jazzclubs ist, vermittelt sich auch am Telefon eindrücklich. "Am Sonntagabend wurde es mir zu brenzlig", beschreibt Sascha Felber die Lage. Zehn Konzerte standen bis Weihnachten auf dem Spielplan des Jazzclubs, verkauft wurden dafür aber bisher nur insgesamt 43 Karten, zwei davon für den Auftritt des Nähmaschinenquartetts am kommenden Samstag. 

Am Programm könne es nicht liegen, ist sich Sascha Felber sicher, denn da standen auch bekannte Namen wie der von Wolfgang Lackerschmid, in normalen Zeiten ein Zugpferd für jeden Veranstalter. Und man sei es auch gewöhnt, dass der Saisonstart erst einmal schleppend anlaufe, aber bei diesen Zahlen sei abzusehen, "dass wir bei jedem Konzert draufzahlen werden". Miete, Betriebskosten, Gehälter für das Service-Team und natürlich Gage sowie Unterkunft und Verpflegung der Musiker könnten nicht beglichen werden, wenn der Club nicht gut besucht sei. Denn die Ausgaben bestreitet der gemeinnützige Verein aus den Einnahmen aus Ticketverkauf und der Gastronomie. Hinzu kommt ein Zuschuss aus der institutionellen Förderung der Stadt Augsburg. 

Die Jam Sessions des Jazzclubs zogen auch Musiker aus Augsburg an

Seit 2015 entwickelte sich das Kellerlokal in der Philippine-Welser-Straße zu einer festen Größe im Augsburger Kulturleben. Zahlreiche Konzerte fanden dort statt, mit Größen der Szene ebenso wie mit Newcomern und Musikern und Musikerinnen, die als Geheimtipp galten. Beliebt war die rund 100 Zuschauer fassende Location bei Zuschauern wie Akteuren auch über die Stadtgrenzen hinaus. "Die Jam Sessions zogen regelmäßig Leute aus München an, weil hier die Atmosphäre so besonders war", beschreibt Felber. 

Schon in der letzten Saison und auch im Frühjahr und Sommer habe man jedoch feststellen müssen, dass sich das Interesse an Livemusik verringert habe. Der Verein habe dies durch die Corona-Fördergelder noch auffangen können, doch dieses Polster sei nun aufgebraucht. Die Menschen hätten nicht mehr so viel Geld in der Tasche, außerdem fehle durch den Ukraine-Krieg und die heftig diskutierten Maßnahmen der Ampel-Regierung die Zuversicht für die Zukunft. "Das ist wie in der Bauwirtschaft", vergleicht Architekt Felber. Hinzu kommt in seinen Augen ein gewisses Überangebot an Veranstaltungen in der Stadt. Ab Mai gebe es in Augsburg ein Festival nach dem anderen, "die Menschen sind müde und zugespielt", so der Vorsitzende des Jazzclubs. 

Sascha Felber: "Ich glaube nicht, dass wir uns etwas vorwerfen müssen"

Dass die Zahlen aber so drastisch zurückgingen, sei nicht zu erwarten gewesen. Denn, so Felber, erfolgreich habe man sich auch ein jüngeres Publikum herangezogen, etwa durch die Mittwochskonzerte mit geringeren Kartenpreisen, durch Aktivitäten in den sozialen Medien, durch einen Newsletter. "Ich glaube nicht, dass wir uns etwas vorwerfen müssen", ist sich Sascha Felber sicher.

Wie es nun weitergeht mit dem Augsburger Jazzclub? Erst einmal habe man sich durch den drastischen Schritt der Konzertabsagen nun Freiraum für eine Denkpause verordnet. "Wir sind ein gemeinnütziger Verein, wenn wir miese Zahlen schreiben, müssen wir aufhören", beschreibt Felber die Situation. Das wollen er und seine Mitstreiter, alles Ehrenamtliche und in der Augsburger Jazzszene etabliert, aber auf keinen Fall. Fest steht aber, dass das bisherige Konzept, einen Jazzclub über die Ticketpreise und die Gastronomie zu betreiben, in der jetzigen wirtschaftlichen Lage nicht tragfähig sei. Alle Überlegungen der Verantwortlichen seien bisher "mit dünnem Faden gestrickt", deshalb will Felber noch keinerlei Andeutung machen, welches Modell die Zukunft des Jazzclubs sein könnte. Fest steht für ihn aber: "Wir denken in alle Richtungen, damit wir eine Chance haben, nach dieser Pause weiterzumachen." 

Ein kleines Zeichen der Hoffnung ist da auch das Konzert am 31. Oktober. Unter der Leitung von Trompeter Nico Weber und Saxofonist Jan Kiesewetter hat sich die Jazzkapelle Augsburg formiert. Mit fünf Saxofonen, vier Trompeten, vier Posaunen, Gitarre, Klavier, Bass und Schlagzeug wollen sie den Big-Band-Sound hochleben lassen – und mit ihm den Augsburger Jazzclub.

 
Themen & Autoren / Autorinnen
Jazzclubs
Konzerte und Konzertreihen
Saxophonisten
Trompeter
Weihnachten
Lädt

Damit Sie Schlagwörter zu "Meine Themen" hinzufügen können, müssen Sie sich anmelden.

Anmelden Jetzt registrieren

Das folgende Schlagwort zu „Meine Themen“ hinzufügen:

Sie haben bereits von 50 Themen gewählt

bearbeiten

Sie folgen diesem Thema bereits.

entfernen