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Arzneimittel
Lieferengpässe bei Medikamenten bekämpfen: Das plant Lauterbach
Ob Antibiotika oder Kinder-Fiebersäfte - nicht selten fehlte es in den vergangenen Monaten in deutschen Apotheken an Medikamenten. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will das nun ändern.
Medikamente.jpeg       -  Lieferengpässe bei Medikamenten sollen bald der Vergangenheit angehören. Zumindest, wenn es nach einem neuen Gesetz geht.
Foto: Monika Skolimowska, dpa (Archivbild) | Lieferengpässe bei Medikamenten sollen bald der Vergangenheit angehören. Zumindest, wenn es nach einem neuen Gesetz geht.
Ann-Katrin Hahner
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:32 Uhr

Insgesamt gebe es dieses Jahr bei rund 500 Arzneien Lieferengpässe, sagt der bayerische Gesundheitsminister Klaus Holetschek. Vor über einem Jahr habe es im gleichen Zeitraum "nur" 300 Medikamentenengpässe gegeben. Täglich seien laut dem Apothekerverband Nordrhein 1,5 Millionen Menschen von den Lieferengpässen betroffen. Zum Beispiel stehe manchmal die Versorgung von Antibiotika auf der Kippe, sagte der Verbandsvorsitzende Thomas Preis im ARD-Morgenmagazin.

Laut dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) gab es im Juli bei 486 Medikamenten Lieferengpässe. Im April waren es noch 467 Medikamente, betroffen waren unter anderem Arzneimittel zur Behandlung von Krebserkrankungen und Antibiotika, aber auch Asthma- und Cortison-Präparate, wie tagesschau.de berichtete.

Um diesem Mangel den Kampf anzusagen, wurde am 5. April 2023 in Berlin der Gesetzesentwurf "Zur Bekämpfung von Lieferengpässen" vorgestellt und beschlossen. Was dieser beinhaltet und wo der Medikamentenmangel eigentlich herkommt, lesen Sie im Artikel.

Lieferengpässe bei Medikamenten: Was ist derzeit knapp?

Während im April 467 Medikamente von Lieferengpässen betroffen waren, waren es im Juli sogar noch etwa 20 zusätzliche Mittel. Aber bei einigen Wirkstoffen gab es auch wieder Entwarnung. Am 7. Juli hatte das BfArM bekanntgegeben, dass kein Versorgungsmangel mehr bei tamoxifenhaltigen Arzneimitteln besteht. Medikamente mit dem Wirkstoff Tamoxifen waren zuvor besonders stark betroffen gewesen. Der Wirkstoff wird laut ndr.de häufig zur Behandlung von Brustkrebs eingesetzt.

Zudem gab es auch einen Mangel bei Fiebersäften und Antibiotika für Kinder. Außerdem fehlte es laut dem BfArM an folinsäurehaltigen Arzneimitteln. In der Vergangenheit fehlte es auch an Diabetes-Medikamenten.

Bei Fiebersäften für Kinder habe sich die Lage allerdings moderat entspannt, wie tagesschau.de berichtet. Die Seite bezieht sich dabei auf das Bundesgesundheitsministerium. Zudem verweist das Ministerium darauf, dass betroffene Arzneimittel sich zum großen Teil ersetzen ließen, sodass die Versorgung der Patienten nicht gefährdet sei.

Allerdings: Die Liste des BfArM muss nicht vollständig sein, denn sie basiert zum Teil darauf, dass Hersteller Engpässe melden. Die Industrie muss nicht melden, sondern verpflichtet sich selbst, es zu tun. Das berichtete etwa das Fachmagazin Medscape. Gegenüber Focus Online sagte Daniela Hämel, Vorsitzende der Freien Apothekerschaft: "Arzneimittel, die es auf die BfArM-Liste ‚schaffen‘, die also nicht verfügbar sind, sind nur die Spitze des Eisbergs, oder Wirkstoffe, bei denen die Apotheke, trotz Bemühungen, keine Ware oder Alternativen bieten kann." Eine Gewichtung der Medikamente gebe es nicht.

Lieferengpässe: Warum sind manche Medikamente nicht lieferbar?

Wie das Bundesministerium für Gesundheit auf seiner Website schreibt, seien die Lieferengpässe in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. Dies kann laut Experten unter anderem damit zusammenhängen, dass durch die Corona-Pandemie viele Fabriken in Asien im Lockdown waren und deshalb zu wenige Wirkstoffe für Arzneimittel geliefert werden konnten. Wegen der geringen Produktionskosten werden viele Stoffe in Asien hergestellt.

Allerdings hat eine Forschungsgruppe um Kai Hoberg, Professor für Supply Chain und Operating Strategy an der Kühne Logistics University eine Studie veröffentlicht, die sich mit den Gründen für die Lieferengpässe befasst. Die Forscher ließen dabei gezielt die Corona-Jahre aus und machten laut Focus Online hauptsächlich drei Gründe für die Medikamentenknappheit aus:

  • Konkurrenz: Patentierte Produkte, die nur von einem Hersteller angefertigt werden, seien laut der Studie seltener von Engpässen betroffen als Arzneimittel, die den Patentschutz verloren haben und als Generika von vielen Anbietern hergestellt werden. "Sobald eine Konkurrenzsituation herrscht, sind einzelne Unternehmen zu stärkerer Effizienz gezwungen. Bereits kleine Störungen führen dann schneller zu Engpässen, weil weniger Kapazitäten und Bestände als Reserve existieren", ordnete Hoberg ein.
  • Probleme bei der Produktion: Ist ein Produktionsprozess für einen Stoff komplex, ist er automatisch anfälliger für Verunreinigungen und andere Störungen. Besonders gespritzte Medikamente seien davon betroffen.
  • Meldeverzögerungen: Pharmaunternehmen meldeten kritische Engpässe oft erst sechs bis acht Wochen, nachdem der Engpass den Markt bereits erreicht hatte. Die Autoren der Studie halten eine striktere Meldefristpolitik für nötig.

Lieferengpässe bei Medikamenten: Was sieht der neue Gesetzesentwurf vor?

Bei diesen Problemen will nun das Lieferengpassbekämpfungsgesetz, das vom Bundeskabinett abgesegnet wurde, ansetzen. "Auch in der Arzneimittelversorgung haben wir es mit der Ökonomisierung übertrieben", teilte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach in einer Pressekonferenz mit. Man wolle Deutschland wieder zu einem attraktiven Absatzmarkt für generische Arzneimittel machen.

Bei Kinderarzneimitteln sollen beispielsweise die Preisregeln gelockert werden. Festbeträge und Rabattverträge werden abgeschafft. Die pharmazeutischen Unternehmer können ihre Abgabepreise einmalig um bis zu 50 Prozent des zuletzt geltenden Festbetrages beziehungsweise Preismoratoriums-Preises anheben. Krankenkassen übernehmen die entsprechenden Mehrkosten von ärztlich verordneten Arzneimitteln. Zukünftig dürften keine Festbetragsgruppen mehr mit Kinderarzneimitteln gebildet werden, heißt es aus dem Bundesgesundheitsministerium.

Zudem soll das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte eine Art Frühwarnsystem entwickeln, um Engpässe in Zukunft deutlich früher zu erkennen. Die Versorgungssicherheit soll mit einer besseren Lagerhaltung erreicht werden. Wie tagesschau.de berichtet, sieht das Gesetz laut Lauterbach eine Lagerhaltung von mindestens drei Monaten für bestimmte Medikamente vor. Ist ein Medikament einmal doch nicht vorhanden, sollen sogenannte Austauschregeln gelockert werden. Damit könnten Apotheken ein Produkt mit gleichem Wirkstoff ausgeben, ohne dass Patienten noch einmal einen Arzt wegen eines neuen Rezepts aufsuchen müssten.

Neues Gesetz gegen Lieferengpässe bei Medikamenten: Kritik von Gesetzlichen Krankenkassen

Zeitgleich setzt das Gesetz bei der Produktion von Medikamenten an. Pharmahersteller sollen künftig verstärkt in der EU produzieren. Der Fokus liegt zunächst auf Antibiotika, später könnte das Gesetz aber auch noch auf Krebsmedikamente ausgeweitet werden. Bei den Ausschreibungen sollen Krankenkassen in Zukunft verstärkt Produktionen aus der EU berücksichtigen und nicht nur, wer den günstigsten Preis anbietet.

Laut tagesschau.de äußerte sich der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenkassen (GVK) bereits im Vorfeld kritisch zu den Entscheidungen des Kabinetts. Man habe Zweifel, ob mit dem geplanten Gesetz Lieferengpässen wirklich entgegenwirkt werden könne. Die Bundesregierung setze "alles auf eine Karte: Mehr Geld für die Pharamindustrie", kritisierte Stefanie Stoff-Ahnis, Vorstandsmitglied des Spitzenverbands, im Gespräch mit der AFP.

Außerdem fehlt es nicht nur an Medikamenten für Kinder, sondern auch für Erwachsene: "Ich denke, wir können zwar etwas besser in den kommenden Winter gehen", sagt Nicola Bulinger-Göpfarth vom Verband der Hausärztinnen und Hausärzte. Es müsse weitere Lösungen geben, da auch erwachsene Patienten vom Medikamentenmangel betroffen sind.

Die GVK warnte davor, dass der Wegfall von Festbeträgen und Rabattverträgen zu steigende Preisen für Medikamente führen und damit eine höhere finanzielle Belastung auf Verbraucher zukommen könnte.

 
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