Die Stimmung beim Lauinger Faschingsumzug hätte kaum besser sein können. Die Straßen und Gehwege waren voll, große und kleine Mäschkerle haben gefeiert, getanzt und gelacht. Rund eineinhalb Stunden hat sich der Gaudiwurm durch die Innenstadt geschlängelt. Mit dabei waren Musikgruppen aus dem Landkreis Dillingen, die kreativsten Wagenbauer aus der Region, Faschingsgesellschaften aus nah und fern und auch einige Fußgruppen, die lokale Themen aufgegriffen haben. Dabei ist besonders eine Umzugsnummer aufgefallen - und die sorgt auch nach Aschermittwoch, dem offiziellen Ende der fünften Jahreszeit, für Aufsehen. Es geht um die Frage: Ist das noch Brauchtumspflege oder schon Diskriminierung?
Lauinger Bürgermeisterin löst auf Facebook Diskussion aus
Beim Umzug war eine Fußgruppe mit rund 40 Personen dabei - Erwachsene wie Kinder -, die alle gelockte Afro-Perücken trugen und alle ihre Gesichter schwarz angemalt hatten. Zusammen mit den einheitlichen schwarz-gelben Kostümen verkörperten sie den "Lauinger Mohr". Ist das im Jahr 2024 noch zeitgemäß? Zumindest wird genau das auf sozialen Medien lautstark diskutiert, auch unsere Zeitung hat mehrere Briefe bekommen - aus beiden Lagern. Da gibt es die, die sich einfach über das Aufleben der alten Tradition gefreut haben. Da sind aber auch Menschen, die sich davon distanzieren und finden, dass das nichts mehr mit Fasching zu tun hat. Eine Grenze massiv überschritten worden sei. Ausgelöst wurde die hitzige Debatte dabei - ungewollt - ausgerechnet von Lauingens Bürgermeisterin Katja Müller. Sie hat ein Bild, auf dem sie gemeinsam mit der "Lauinger-Mohr-Gruppe" zu sehen ist, auf Facebook veröffentlicht. Die Debatte war damit eröffnet.
"Ernsthaft?", ist die erste Reaktion von Müller beim Anruf unserer Redaktion. "Das gehört zum Lauinger Leben und der Stadt dazu", sagt sie. Der "Mohr" ist im Wappen, rassistische Gedanken oder Ähnliches seien fehl am Platz. Im Gegenteil, wie sie sagt: "Ich empfand die Teilnahme der Gruppe eher als Wertschätzung, dass Menschen noch unsere Tradition pflegen." Sie habe sich gefreut, dass die Gruppe nach langer Abstinenz wieder dabei war. "Es war doch total schön", sagt die Bürgermeisterin. "Blackfacing" und Co. dürften ihrer Meinung nach damit nicht in Verbindung gebracht werden.
Auf der Website der Stiftung gegen Rassismus und Antisemitismus steht: „Blackfacing gilt als rassistisch, da die Identität und Erfahrungen schwarzer Menschen als eine Art Kostüm behandelt werden, welches weiße Menschen einfach an- und ausziehen könnten. Der Begriff Blackfacing beschreibt die Repräsentation von schwarzen Menschen durch weiße Personen mithilfe von Schminke, sodass eine schwarze Haut nachgeahmt wird. Blackfacing wird als rassistisch angesehen, da es die diskriminierenden Erfahrungen von schwarzen Menschen untergräbt, während das eigene Vergnügen in den Vordergrund gestellt wird". Blackfacing ist ein Begriff aus den USA und geht zurück auf die „Minstrel Shows“ des 18. und 19. Jahrhunderts. Dabei hat man sich ganz bewusst über Schwarze lustig gemacht.
"Der Lauinger Mohr gehört zu unserer Stadt wie der Schimmelturm"
Josef Schnitzler versteht die Welt nicht mehr. Der Ur-Lauinger hat von 1980 bis 2000 den "Lauinger Mohr" verkörpert, ist hoch zu Ross bei den Faschingsumzügen mit dabei gewesen. Aus gesundheitlichen Gründen ging das Reiten irgendwann nicht mehr, "aber nur zuschauen war nichts für uns", sagt Schnitzler lachend. Deshalb haben die Frauen der Familie in Handarbeit die "Mohr"-Kostüme nachgenäht. Rund 45 Stück. Fast zehn Jahre war die Familie Schnitzler/Stempfle als "Mohren" verkleidet im Fasching unterwegs. Nach einem Schicksalsschlag im Jahr 2011 war Schluss. Bis jetzt. Beim Umzug am Sonntag war wieder Premiere. Schnitzler selbst ist nicht mitgelaufen, aber insgesamt waren es fast 40 Frauen, Männer und Kinder. "Es hat ihnen einfach Spaß gemacht und war toll. Wir haben ausschließlich positive Reaktionen bekommen. Während des Umzuges schon und auch danach. Alle haben sich gefreut, dass der Mohr wieder dabei ist", schildert es Josef Schnitzler, der lange Zeit für die FDP im Stadtrat saß und seit Jahrzehnten der Vorsitzende des Lauinger Reit- und Fahrvereins ist.
Er betont immer wieder, dass es keinerlei böse Gedanken gab. "Der Lauinger Mohr gehört zu unserer Stadt wie der Schimmelturm. Und wie ich. Fertig", sagt er. Auch das Stadtwappen werde von der Figur geprägt. Für ihn sei es reine Brauchtumspflege, man wollte eine alte Tradition wieder aufleben lassen - "mehr nicht". Schon sein Vater habe vor ihm den "Mohren" in Lauingen dargestellt. "Alle waren happy, wir haben keine Kritik bekommen. Das war in keiner Weise rassistisch gedacht und damit soll es auch nicht Verbindung gebracht werden. Es geht um die Lauinger Stadtidentität", betont Schnitzler.
Es gibt aber auch andere Stimmen. Per E-Mail erreichte unsere Redaktion etwa folgende Nachricht: "Tradition gut und schön, aber mit Maß und unter Berücksichtigung der Gefühle anderer. Es mag sein, dass der ´Mohr´ im Lauinger Wappen als Ehrung dieser historischen Figur beziehungsweise der damit verbundenen Sage unter Umständen noch akzeptiert werden kann. Es ist meines Erachtens aber keinesfalls gerechtfertigt, auf dieser Basis Blackfacing zu betreiben und damit Angehörige dieser ethnischen Gruppe im Fasching als Spaßobjekt abzuwerten. Weiterhin ist es in meinen Augen unvorstellbar, dass im Jahr 2024 eine amtierende Bürgermeisterin ein gemeinsames Foto mit dieser Gruppe stolz auf Facebook teilt." Der Redaktion ist der Autor dieser Zeilen bekannt, er oder sie möchte damit aber nicht öffentlich zitiert werden.