Unter den Weißkitteln im Landkreis Neu-Ulm soll es ein schwarzes Schaf geben: Ende vergangenen Jahres standen unangemeldet Polizisten vor seinen verschiedenen Praxen. Mit dieser Razzia wollten sie mögliche Beweismittel sicherstellen, um einen bösen Verdacht gegen den Mediziner zu erhärten. Er soll betrogen haben. Wie unsere Redaktion erfuhr, geht es um einen Hausarzt, der mehrere Standorte im nördlichen Landkreis betreibt.
Razzia bei Arzt im Kreis Neu-Ulm: Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg ermittelt
Bei den Recherchen zu dem Polizeieinsatz, verweist ein Sprecher der StaatsanwaltschaftMemmingen, die für den Landkreis Neu-Ulm zuständig ist, unsere Redaktion an die Generalstaatsanwaltschaft in Nürnberg. Seit erst gut zwei Jahren kümmert sich dort eine "Bayerische Zentralstelle" um die Bekämpfung von Betrug und Korruption im Gesundheitsweisen. Mit vereinten und darauf spezialisierten Kräften beschäftigen sich dort insgesamt 14 Staatsanwälte mit derartigen Delikten im gesamten Freistaat. Jene Ermittler setzten sich schon länger mit dem "durchaus komplizierten Abrechnungswesen" auseinander und kennen sich daher besonders gut darin aus, erklärt Oberstaatsanwalt Matthias Held auf Nachfrage.
Fragen zum Namen und der Person des Beschuldigten im Fall aus dem nördlichen Landkreis Neu-Ulm will der Behördensprecher weder bestätigen noch dementieren. Zusammen mit der ebenfalls auf Wirtschaftskriminalität spezialisierten Kriminalpolizeiinspektion aus Kempten aber seien am 8. November 2022, einem Dienstag, mehrere Objekte im Kreisgebiet durchsucht worden. Im Raum stehe der Abrechnungsbetrug eines Arztes. Um welche Summen es geht, ist noch unklar. Auch war nicht in Erfahrung zu bringen, wie viele Patientinnen und Patienten davon betroffen sein könnten.
Wurde mit der Kassenärztlichen Vereinigung bewusst falsch abgerechnet?
Laut einem Durchsuchungsbeschluss des AmtsgerichtsNürnberg vom 9. August 2022 besteht der Verdacht, dass in den Jahren 2019 und 2020 "in zahlreichen Fällen" Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abgerechnet wurden, obwohl die dafür vorgeschriebene Dokumentation der Behandlung nicht erfolgt war, beziehungsweise die vorgeschriebene Mindestbehandlungsdauer nicht eingehalten wurde. Auch wenn im Ort erzählt wird, Polizisten seien mit "Maschinenpistolen" bei der Razzia präsent gewesen, eine besondere Gefahrenlage hat laut der Generalstaatsanwaltschaft bei der Durchsuchung nicht bestanden.
Bislang steht zwar lediglich der Verdacht im Raum. Doch der Oberstaatsanwalt erklärt, dass es für einen gerichtlich genehmigten Beschluss schon mehr Beweggründe benötige als nur eine lose Behauptung. Ob sich jener Verdacht aber nun erhärten lässt, sollen weitere Ermittlungen zeigen. Mit einem Ende des Verfahrens sei nicht so schnell zu rechnen. Darüber hinausgehende Auskünfte könnten derzeit nicht erteilt werden, da dies möglicherweise die weiteren Ermittlungen gefährden könnte.
Razzia bei Arzt im Landkreis Neu-Ulm: Droht eine Gefängnisstrafe?
Derartige Nachforschungen können aber auch ins Leere laufen. Und anderem deshalb, weil zum Beispiel bei den Handlungen der sogenannte Vorsatz fehlt. Sollte aber ein Vergehen nachgewiesen werden können, sieht das Strafgesetzbuch mindestens eine Geldstrafe, je nach Schwere des Vorwurfes sogar eine Bewährungsstrafe bis maximal zwei Jahren oder Gefängnisstrafe bis zu fünf Jahre vor. Bei einem besonders schweren Fall, wenn etwa eine ganze Reihe von Betrugsfällen nachgewiesen werden, kann die Freiheitsstrafe bis zu zehn Jahre betragen.
Die Kassenärztliche Vereinigung, die mutmaßliche Unstimmigkeiten dem Vernehmen nach zur Anzeige brachte, machte zum aktuellen Fall keine Angaben. Im Rahmen eines anhängigen Strafverfahrens könne und dürfe man sich nach außen nicht äußern, so ein Sprecher. Auch der Allgemeinmediziner selbst war zunächst für unsere Redaktion nicht zu sprechen. Ein Rückruf war zwar zugesichert, der aber erfolgte bislang nicht.