Eine Patientin äußert bei einem Pfleger ihre Angst vor der Operation am nächsten Morgen. Außerdem könne sie schlecht schlafen, da der Zimmernachbar so laut schnarche. Sicherlich ist eine solche Szene nichts Außergewöhnliches im Krankenhausalltag. Was allerdings ungewöhnlich ist: Fremde Personen hören und schauen im Internet mit. Was sie erkennen? In diesem Live-Video auf der Plattform TikTok werden die persönlichen Daten der Patientin gezeigt. Es spielt in der KreisklinikGünzburg. Wie kann das passieren?
Inzwischen ist das Original-Video, das in Echtzeit gestreamt, also ins Internet übertragen wurde, von der Plattform verschwunden. Wie viele Zuschauerinnen und Zuschauer es in diesem Livestream gab, lässt sich nicht mehr herausfinden. Allerdings kursiert dafür ein anderes TikTok-Video, in dem sich ein junger Mann auf diesen Livestream bezieht und fassungslos darüber ist, dass der Pfleger die Situation ins Netz stellte. Das Video heißt "Der nächste Krankenhaus-Skandal!" und wurde Stand Mittwochmittag über 470.500 Mal angeschaut, rund 3800 Personen haben es abgespeichert. Der TikToker, der es hochgeladen hat, nennt sich auf seinem Kanal "kevinits" und arbeitet als Intensivpfleger im Ruhrgebiet. Seine Erfahrungen teilt er anonymisiert auf seinen Social-Media-Kanälen, mit Sketchen und Informationsvideos macht er auf den Beruf (und auch auf Missstände) im Gesundheitswesen aufmerksam. Er kritisiert in diesem Videoclip den Pfleger, der in seinem Nachtdienst in Günzburg persönliche Informationen zeigt. Im Livestream war der Entlassbrief mit der Anschrift und dem Namen der Patientin, die man im Hintergrund sprechen hört, zu sehen. In einem anderen Live-Video, das eine Woche zuvor gestreamt wurde, konnte man beschriftete Blutröhrchen erkennen.
Auf Nachfrage unserer Redaktion äußert sich die Klinik noch am selben Tag mit einer Stellungnahme. Nicolas Kiechle, kommissarischer Direktor Klinikmanagement der Kreiskliniken Günzburg-Krumbach, teilt mit, dass er und der Klinikvorstand Robert Wieland selbst am vergangenen Freitag per Mail durch einen Dritten "über die massive Datenschutzverletzung durch einen unserer Mitarbeiter" informiert worden sind. Er bestätigt außerdem, dass sich der Vorfall in der Klinik Günzburg ereignet hat.
TikTok-Video von Krankenpfleger: Massive Datenschutzverletzung in der Kreisklinik Günzburg
Weiter schreibt er: "Die Leitung der Station wurde sofort nach Sichtung der uns zur Verfügung gestellten Daten und der Identifizierung des Mitarbeiters über die Vorkommnisse informiert. Eine Information der betroffenen Patienten erfolgt in Abstimmung mit den zuständigen Aufsichtsbehörden. Die massive Verletzung des Datenschutzes und der Persönlichkeitsrechte unserer Patientinnen und Patienten werden in keinster Weise toleriert." Die Gesundheitsdaten seien ein äußerst hohes Gut. Die Kreiskliniken Günzburg-Krumbach haben eine Dienstanweisung, in der die Verschwiegenheitspflicht und der Datenschutz geregelt sind. Diese sei für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Kreiskliniken bindend.
In dem Material, das auch der Klinikleitung aktuell zur Verfügung steht, ist die Stimme einer Patientin zu hören. "Wir gehen anhand dieser Aufnahme nicht davon aus, dass die Frau im Vorfeld über eine laufende Videoaufnahme informiert wurde", sagt Kiechle. Sofort nach Bekanntwerden der Datenschutzverletzung sei noch am selben Tag ein Gespräch mit dem Mitarbeiter geführt worden. Auf welcher Station die Pflegekraft arbeitet und seit wann, könne aus Datenschutzgründen nicht mitgeteilt werden.
Kreiskliniken ziehen nach TikTok-Video arbeitsrechtliche Schritte
Wie geht es für den Pfleger nun weiter? Zum einen wurden "noch unmittelbar am Freitag arbeitsrechtliche Konsequenzen gezogen", so der Direktor Klinikmanagement. Wie genau diese aussehen, könne noch nicht konkret mitgeteilt werden. Aber: Man behalte sich weitere Schritte vor. Das geschehe in Abstimmung mit den Aufsichtsbehörden.
Für das Krankenhaus war es neu, dass solche Einblicke aus dem Klinikalltag in die breite, ungesteuerte, digitale Öffentlichkeit gelangten. "Ein großes Thema wird für uns in nächster Zeit eine erneute Sensibilisierung der Mitarbeiter darstellen. Bei allen Mitarbeitern stößt der Fall auf großes Unverständnis, da sie sich ihrer großen Verantwortung im Umgang mit hochsensiblen Daten bewusst sind. Um dieses Verantwortungsbewusstsein nochmals zu stärken, werden Awareness-Trainings stattfinden und die aktuellen Regelungen im Umgang mit Daten, die jeder Mitarbeiter bei Einstellung erhält, in Zusammenarbeit mit unseren Experten für Datenschutz erneut überprüft und gegebenenfalls angepasst", teilt Kiechle mit. Man distanziere sich klar von den Handlungen des Mitarbeiters und toleriere diese nicht.