Inge Herz ist sauer. Die Integrationsbeauftragte des Markts Dinkelscherben und zwei Männer, denen sie helfen will, verzweifeln an den Hürden der deutschen Bürokratie. Bei den Männern handelt es sich um Geflüchtete aus Gambia, die eine Bäckerlehre beginnen wollen. Der Bäckermeister hat bei den Behörden sogar seinen Wunsch nach den beiden hinterlegt. Trotzdem müssen sie erst in den Senegal reisen, um eine Chance auf eine Ausbildung in Deutschland zu haben. Was steckt hinter den Hürden, die allen das Leben scheinbar unnötig schwer machen?
Um ein Visum zu stellen, müssen zwei Geflüchtete aus Deutschland ausreisen
Die Dinkelscherberin Inge Herz setzt sich seit Jahren für soziale Projekte im Augsburger Land ein. Der Fall der beiden Gambier Musa Bah und Sarjo löst bei Herz viel Kopfschütteln aus. Beide seien vor Jahren als Geflüchtete im Landkreis angekommen, haben hier bereits in heimischen Betrieben gearbeitet und wollen nun in Langenneufnach eine Bäckerlehre anfangen. Doch ihre Asylanträge wurden jüngst abgelehnt, sagt Herz, die den Männern hilft. Um die Ausbildung antreten zu können, müssen der 32-jährige Musa Bah und der 24-jährige Sarjo deshalb ein Ausbildungsvisum abschließen. Die Krux daran: Gesetzlich ist festgelegt, dass ein solches Visum nur vom Ausland ausgestellt werden kann.
Also mussten die beiden zur nächstgelegenen deutschen Botschaft ihrer Heimat in den Senegal fliegen, um einen Antrag für ihre Ausbildung zu stellen. "Dort warten sie seit mittlerweile acht Wochen und wissen noch immer nicht, ob sie das Visum erhalten", sagt Herz resigniert. "Die beiden kennen Deutschland und seine Menschen; da muss uns doch daran gelegen sein, diejenigen, die schon hier sind und für die wir einen Haufen Geld bezahlen, in Arbeit zu bringen." Vor dem Hintergrund der alternden deutschen Gesellschaft und des Fachkräftemangels kann Herz die Zwangsausreise nicht nachvollziehen.
Ein Langenneufnacher Bäcker möchte die Männer einstellen – darf aber nicht
Für Unverständnis sorgen die Richtlinien auch beim Langenneufnacher Bäckermeister Richard Schneider. "Ich brauche Azubis und hätte die beiden Männer gerne eingestellt", sagt er. Er habe sogar beim Arbeitsamt angerufen und sich für das Arbeitsvisum der beiden Gambier ausgesprochen, erzählt Schneider, der bereits Geflüchtete in seiner Bäckerei anstellt und damit sehr glücklich ist. "Alle schimpfen über Geflüchtete, weil sie anscheinend nichts tun wollen, dabei ist das Gegenteil der Fall", so der Bäcker. "Die möchten arbeiten, aber der deutsche Behördenapparat lässt sie nicht."
Wie es für Musa Bah und Sarjo weitergeht, wissen sie nicht. Die Behörden bearbeiten ihre Anträge bereits. Den Start des kommenden Ausbildungsjahres verpassen sie wohl. Neben der Ungewissheit und den vielen Strapazen mit Ämtern kostet die Männer der Visumsprozess einen Haufen Geld, weiß Inge Herz. "Da müssen die Flüge kurzfristig bezahlt werden, außerdem müssen die beiden dort ja wo wohnen." Bisher kommen die Männer im Senegal bei einem Freund der Dinkelscherberin unter.
Anwältin für Migrationsrecht: "Da geht es ums Prinzip"
Solche Zwangsausreisen von Asylbewerbern sind keine Seltenheit. Das weiß Miriam Korte-Bahgat, Rechtsanwältin für Familien- und Migrationsrecht in Augsburg. Dass Menschen, die bereits in Deutschland sind, viel Zeit und Geld für eine Ausreise aufwenden müssen, um dort eine erneute Einreise beantragen zu können, mag für viele unsinnig klingen. Korte-Bahgat weiß, dass solche Visumverfahren in der Theorie vor allem der Steuerung von Zuwanderung dienen sollen. "Dabei gibt es auch nur sehr begrenzte Ausnahmen, was besonders bei Trennungen von Familien bitter ist." Die Migrationsanwältin sagt, dass allein die Bearbeitung der Anträge meist drei Monate oder länger dauere und Wartezeiten für einen Termin in der deutschen Botschaft bis zu zwei Jahre betragen können.
Doch wieso Menschen solche Umstände bereiten? Neben dem Ziel der geordneten Migration wird mit der Gesetzgebung eine gewisse Signalwirkung verfolgt, vermutet Korte-Bahgat. Es sollen keine Anreize geschaffen werden, illegal nach Deutschland einzureisen, um dann erst hier einen Bleibeantrag zu stellen. "Da geht es ums Prinzip und darum, keine Präzedenzfälle zu schaffen", so die Anwältin. Sie fordert, die Gesetzgebung zu überarbeiten und für alle Beteiligten effizienter zu machen.
Für die Gambier, Inge Herz und Bäckermeister Richard Schneider ist die Situation weiterhin unbefriedigend. Denn wann über das Ausbildungsvisum entschieden wird, ist unklar. Damit fehlt allen Beteiligten Planungssicherheit. Immerhin: Ein Mitarbeiter der Botschaft im Senegal sei sehr bemüht und setze sich für die Erstellung der Visa ein, erzählt die Dinkelscherberin Herz hoffnungsvoll.