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Augsburg
Urlauber-Familie aus Augsburg sitzt in Jerusalem fest
Aus dem Traumurlaub in Israel wurde für Familie Kastner ein Albtraum. Nun hoffen die Augsburger darauf, dass sie möglichst bald nach Deutschland ausfliegen können.
Katharina Indrich
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:14 Uhr

Die Nerven lagen blank, gesteht Martin Kastner. Viereinhalb Stunden lang hing der Augsburger am Mittwochabend in der Hotline der Lufthansa fest, um für sich und seine Familie einen Heimflug aus Jerusalem zu ergattern. "Wir haben schon fast die Hoffnung aufgegeben und es probiert, bis uns das Guthaben auf dem Handy ausgegangen ist. Es war der reinste Horror." Am Donnerstagmorgen hatten sie dann endlich Glück: Martin Kastner konnte für sich, seine Frau Christina, den eineinhalbjährigen Sohn Micha und die gemeinsame Freundin Katharina Häring einen Flug buchen. Am Freitagnachmittag soll es für sie endlich wieder zurück nach Deutschland gehen. 

Augsburger kritisiert Organisation der Sonderflüge

Noch immer ist der Maschinenbauingenieur und Musiker fassungslos über die Organisation der Sonderflüge. "Das Hotline-System war völlig überlastet. Es sollen 4500 Deutsche in Israel sein. Um 18 Uhr wurde das freigeschaltet. Es war ja klar, dass da jeder anruft." Noch dazu habe es sich um eine deutsche Telefonnummer gehandelt. Eine Minute von Israel nach Deutschland zu telefonieren koste satte 4,30 Euro. Der 32-Jährige schätzt, dass er mittlerweile mehrere hundert Euro allein für Telefonate ausgegeben hat. "Vielleicht ist es auch schon vierstellig." Seit dem Angriff der Hamas auf Israel hat er, wie so viele andere, verzweifelt versucht, einen Flug zurück nach Deutschland zu bekommen. Zwei bereits gebuchte Flüge wurden wieder annulliert. Weil sie aber schon bezahlt waren und die Telefonkosten immer weiter kletterten, veröffentlichte das Paar auf Go fund me einen Hilferuf. Innerhalb weniger Stunden kamen auf der Spendenakquise-Plattform dort fast 4000 Euro für die Heimreise der Augsburger zusammen. 

Terror in Israel: Statt an den Strand ging es in den Bunker

Die Strapazen der vergangenen Tage sind dem Familienvater am Telefon anzuhören. Was als entspannter Urlaub geplant war, wandelte sich am Samstag urplötzlich in einen Albtraum. Eigentlich, erzählt Martin Kastner, hatten sie an diesem Tag einen Ausflug an einen Naturstrand etwas außerhalb von Tel Aviv geplant. Der Taxifahrer stand schon vor der Tür, um sie abzuholen. Doch als Martin Kastner ihn fragte, was die Fahrt kosten sollte, habe der ihm einen horrenden Preis genannt. "Ich habe ihn dann gefragt warum es so teuer ist und er hat mir geantwortet: Weil es nicht sicher ist, wir werden angegriffen. Da ist mir die Kinnlade runtergefallen." Schon am Morgen hatten er und seine Frau die Sirenen und eine Explosion gehört. "Aber wir konnten das nicht zuordnen. Meine Frau dachte, es wäre einfach ein Feueralarm." Auf dem Weg zurück ins Haus sei ihm dann schon eine Anwohnerin entgegengekommen, die ihm über den Angriff informiert habe. "Sie war richtig durch den Wind, hat uns aber erklärt, wie wir uns verhalten müssen und wo der Bunker im Haus ist." 

In diesem Bunker musste die junge Familie aus Augsburg an diesem ersten Tag des Angriffs auf Israel mehrmals Schutz suchen. "Während wir versucht haben, unseren Sohn am Abend ins Bett zu bringen, gab es viermal Alarm und wir mussten in den Bunker. Da sitzt man dann und hört den Riesenknall, wenn wieder eine Rakete abgefangen wird." An der Tür des Bunkers, erzählt Martin Kastner, hatte sich ein israelischer Bewohner des Hauses mit seiner Waffe postiert. "Er war beim Militär und hat gesagt, es gäbe Warnungen, dass die Hamas aktiv Geiseln aus Tel Aviv verschleppen lassen will." Die Stunden im Bunker und danach, für Familie Kastner waren sie von Angst und Unsicherheit geprägt. "Aber man kann das gar nicht so richtig einordnen und ist mehr am Funktionieren." Doch bei aller Sorge erlebten die gläubigen Christen, die sich im Augsburger Gebetshaus engagieren, auch eines: "Wir hatten so einen unglaublichen Frieden. Das kann man sich nicht vorstellen. Auf der Gefühls- und Verstandesebene sprach alles dagegen, aber wir wussten: Uns wird nichts passieren." 

"Die Stimmung auf den Straßen von Jerusalem ist gespenstisch"

Beklemmend ist die Situation der Augsburger trotzdem. Weil ihre Wohnung in Tel Aviv nicht länger gebucht war, machten sie sich am Tag nach dem Angriff auf den Weg nach Jerusalem. Dort verbringen sie seitdem den Großteil ihres Tages in der Wohnung. Das ist vor allem für den eineinhalbjährigen Micha nicht einfach. "Er ist ein sehr aktives Kind und versteht einfach noch nicht, warum er nicht raus kann", sagt Martin Kastner. Trotzdem waren sie mit ihrem Sohn auch schon in Jerusalem auf dem Spielplatz. Insgesamt, sagt Martin Kastner, sei die Stadt sehr leer. "Es hat etwas Gespenstisches auf den Straßen und man merkt, wie bedrückt die Menschen sind." Natürlich, sagt Martin Kastner, sei er überglücklich, dass seine Familie am Freitag endlich das Land verlassen kann. "Auf der anderen Seite komme ich mir aber ein bisschen egoistisch vor." In der befreundeten Familie wurde der Mann nun zum Militär eingezogen. Seine Frau wisse aktuell nicht, wo er eingesetzt ist. "Es ist einfach schrecklich, was passiert ist." 

 
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