Seine Person hat schon mehrfach in der Region für große Aufregung gesorgt. Zunächst nach der Vergewaltigung einer 14-Jährigen 2019 in Illerkirchberg, für die er verurteilt wurde und in Haft kam. Und wieder nach dem Mord an Ece im selben Ort - als kurz darauf bekannt wurde, dass der Afghane nicht abgeschoben wurde, sondern wieder nach Illerkirchberg zurückkehren musste und zwischenzeitlich sogar als "verschwunden" galt. Nun muss sich jener Straftäter erneut vor Gericht verantworten. Er soll sich nicht an Auflagen gehalten haben. Sein Anwaltäußert sich jetzt zu den Vorwürfen und nennt insbesondere den medialen Umgang mit seinem Mandanten eine "Hetzjagd" und spricht von "Rassismus".
Vorgeworfen wird dem Asylbewerber der "Verstoß gegen Weisungen während der Führungsaufsicht", so die formale Bezeichnung in der Anklage. Die mutmaßlichen Taten aber seien nicht in diesem Jahr, sondern bereits 2022 passiert, wie ein Sprecher des Ulmer Amtsgerichts auf Nachfrage bestätigt. Sprich, es geht nicht um den Zeitraum nach dem Mord an Ece, der in der Öffentlichkeit für große Aufregung sorgte. Sondern um die Zeit davor.
Halloween-Vergewaltigung 2019: Afghane saß bis März 2022 in Straf- und dann in Abschiebehaft
Bis Ende März 2022 befand sich der Mann nach Angaben des baden-württembergischen Justizministeriums in Haft. Zunächst in Strafhaft wegen seiner Verurteilung nach der Halloween-Vergewaltigung von 2019, anschließend für drei Monate in Abschiebehaft. Die Rückführung in sein Heimatland aber wurde nicht durchgeführt und nachdem eine weitere Inhaftierung gerichtlich nicht mehr standhalten konnte, wurde er in seine zugeteilte Gemeinde (Illerkirchberg) zurückgebracht. Was die Emotionen hochkochen ließ.
Rechtsanwalt Christoph Käss hat den Afghanen nach eigenen Angaben in dessen Asylverfahren sowie im Vergewaltigungsprozess schon juristisch vertreten. Laut ihm geht es im Prozess am kommenden Dienstag um drei konkrete Vorwürfe für den Zeitraum von August und September 2022 – darunter das ausbleibende Melden bei der Bewährungshilfe sowie bei einem Fachkoordinator bei der Ulmer Polizei. Und ein nicht gemeldeter Umzug nach Frankreich. Er habe nicht mehr hierbleiben wollen, Deutschland für immer verlassen wollen. "Das war sein Plan", sagt Käss. Doch wegen des Dublin-Verfahrens sei das nicht möglich gewesen und er sei wieder zurückgeschickt worden.
Gegen Auflagen verstoßen? Verteidiger des Straftäters rechnet mit einer Geldstrafe
Das Strafgesetz sieht bei einer Verurteilung eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vor. Sprich, der Mann könnte theoretisch dafür auch hinter Gitter kommen. Das aber gilt als sehr unwahrscheinlich. Wie der Amtsgerichtssprecher erklärt, wurde zum Strafrichter angeklagt und der dürfe keine höheren Freiheitsstrafen als zwei Jahre verhängen. Stünde hingegen ein höheres Strafmaß im Raum, wäre die Anklage über das Schöffengericht gelaufen. Und laut Käss habe der zuständige Richter irritiert reagiert, als er sich als Pflichtverteidiger angekündigt hätte. Denn der kommt in der Regel erst bei einer zu erwartenden Freiheitsstrafe von einem Jahr zum Tragen. Käss rechnet daher im Falle einer Verurteilung eher mit einer Geldstrafe.
Zur Verhandlung am Dienstag, 9. Mai (11 Uhr), am AmtsgerichtUlm sind zwei Zeugen sind geladen, darunter der Bewährungshelfer. Auch ein Dolmetscher ist anwesend. Seine Strategie will der Verteidiger im Detail nicht verraten. Wie mit seinem Mandanten aber umgegangen wird und wie Medien zum Teil über ihn berichten, nennt Käss eine "Kampagne". Der Afghane habe seine Strafe abgesessen und dann eigentlich die Chance, wieder ein normales Leben zu führen. "Man braucht ihn nicht so an den Pranger stellen", sagt Käss. Bei keinem anderen Straftäter finde Vergleichbares statt. Es werde "gehetzt" und falsche Tatsachen behauptet.
Vergewaltigung in Illerkirchberg: Umgang mit verurteiltem Straftäter ist "Rassismus"
So zum Beispiel, dass er der 14-Jährigen damals Drogen verabreicht hätte. Das hätten die anderen getan. Er sei nicht der Haupttäter gewesen, sondern sei nur knapp über dem Mindeststrafmaß belangt worden. "Wir sind dem Gericht entgegengekommen", sagt Käss. Dass überhaupt zwischen der Halloween-Vergewaltigung und dem Ece-Mord eine Verbindung hergestellt wird, ist für ihn ein klarer Fall von "Rassismus". "Wäre es ein Deutscher gewesen, hätte kein Mensch was gesagt."
Käss stellt außerdem infrage, ob sein Mandant weiterhin als "gefährlich" einzustufen ist, wie es die Behörden tun würden. Schließlich habe er sich bis auf jenen Vorfall 2019 kein anderes Sexualdelikt zuschulden kommen lassen, sei wegen so etwas auch nicht vorbestraft. Dass er seine komplette und nicht nur zwei Drittel seiner Haftstrafe habe absitzen müssen, liege einzig daran, dass er im Gefängnis bei einer Begutachtung nicht mit einem Psychologen über Sex habe sprechen können. "Das können Afghanen einfach nicht", sagt Käss.
Seinem Mandanten würde es schlecht gehen, er traue sich nicht aus dem Haus. Er könne nach wie vor nur wenig Deutsch. "Sein Dilemma ist: Er weiß nicht, wohin", sagt der Rechtsanwalt. Zudem werde er von Behördenseite "schikaniert", bekomme keine Arbeitserlaubnis. Als nach der tödlichen Messerattacke auf dem Schulweg öffentlich bekannt wurde, dass der verurteilte Straftäter sich wieder im Ort befinde, soll wohl die Polizei zusammen mit dem Bewährungshelfer ihm geraten haben, dass er "lieber verschwinden soll, bevor der Mob ihn sich schnappt". Er sei daher in der Wohnung einer Bekannten untergekommen, inzwischen aber wieder in den Ort zurückgekehrt, der ihm rechtlich zugewiesen ist.