Nicht wenige Hobbygärtner sind wahrscheinlich schon mal auf den Gedanken gekommen: Ganz schön schlau diese Insekten. Etwa wie geschickt sich die Hummel da über den Nektar der Blüte hermacht. Insekten deshalb aber ein unserem vergleichbares Gehirn anzudichten, wäre vielleicht zu viel des Guten. Aber warum eigentlich? Zahlreiche Experimente in der Verhaltensforschung von Bienen kamen zu erstaunlichen Ergebnisse.
In diesem Artikel gehen wir daher der Frage nach, ob Insekten ein Gehirn haben, und wenn ja, wie weit ihre kognitiven Fähigkeiten reichen und inwiefern es womöglich unserer eigenen Gehirnleistung nahekommt. Doch zunächst: Was sind überhaupt Insekten?
Was sind Insekten?
Insekten krabbeln, kriechen oder fliegen und sind, auch wenn sie immer häufiger in unserer Nahrung auftauchen, nicht jedermanns Geschmack. Viele Menschen wollen Insekten in Haus und Garten daher schleunigst loswerden. Doch denken Insekten überhaupt? Antworten auf diese Frage kennt in der Forschung vor allem die Verhaltensbiologie.
Insekten-Gehirn: Klein wie ein winziges Reiskorn
Als gesichert nimmt man hier mittlerweile an, dass Insekten durchaus ein Gehirn besitzen, das laut dem TV-Beitrag "Smarte Insekten - Wie winzige Gehirne Geniales leisten" auf 3sat, klein wie ein winziges Reiskorn sein soll. Wie die Zeitschrift Spektrum Wissenschaft schreibt, besteht dieses aus einem Zentralnervensystem, das sich wiederum aus sogenannten Ganglien zusammensetzt. Als solche bezeichnet man bei Insekten die unterschiedlichen miteinander verbundenen Segmente des Nerven-, oder auch Strickleiternsystems, durch das Insekten überhaupt erst in der Lage sind, die sensorischen Informationen der Umwelt zu verarbeiten und in Handlungsentscheidungen zu überführen.
Das Zentrum des Gehirns beziehungsweise Nervensystems von Insekten wird im sogenannten Oberschlundganglion (Zentralhirn) lokalisiert, so das Wissenschaftsmagazin. Von hier aus werden Reize ins sogenannte Unterschlundganglion ausgesendet, das laut einem Forschungsbeitrag für "kognitive und systemische Verhaltensneurobiologie" der Professoren Peter Bräunig (RWTH Aachen) und Hans-Joachim Pflüger (FU Berlin) das Bewegungs- und Koordinationsszentrum von Insekten darstellt.
Das Gehirn eines Insekts besteht allerdings laut Universität Göttingen "nur" aus etwa Hunderttausend bis eine Million Nervenzellen. Zum Vergleich: In einem menschlichen Gehirn sind hundert Milliarden Nervenzellen auf komplizierteste Weise miteinander verknüpft. Doch eine deutlich reduziertere Gehirnleistung als Menschen bedeutet nicht zwingend, dass Insekten keine Gedächtnisleistung als Grundlage eigenständiger Entscheidungen vorweisen können.
Forscher: Insekten zeigen trotz "vergleichsweise kleinen Gehirnen komplexe Verhaltensmuster"
So bestand in der Forschung lange Zeit die Auffassung, dass Insekten rein mechanisch nach einem einfachen Reiz-Reaktions-Schemata agieren würden, wie Professor Dr. Martin Paul Nawrot von der Uni Köln schreibt. Eine Gehirnleistung, die auf Erfahrung und Auswahl basiert, sprach man Insekten dagegen viele Jahrzehnte ab.
Eine Reihe experimenteller Studien der jüngeren Zeit haben jedoch neue Erkenntnisse zutage gefördert: "Insekten besitzen einfache kognitive Fähigkeiten wie die Bildung und der Abruf von Gedächtnissen und die erfahrungsbasierte Entscheidungsfindung. Trotz ihrer vergleichsweise kleinen Gehirne zeigen sie komplexe Verhaltensmuster", so Professor Nawrot. Zusammen mit einem Forschungsteam untersuchte er mittels Messungen neuronaler Signale die Gehirnaktivität von Insekten. Die Wissenschaftler wollten so tiefere Einblicke darüber erhalten, wo genau der Ursprung getroffener Handlungsentscheidungen von Insekten im Nervensystem liegt.
Als konkretes Entscheidungszentrum machten sie übrigens den sogenannten Pilzkörper im Zentralhirn von Insekten aus: "Dieses Ergebnis ändert die Sichtweise auf den Pilzkörper, der nun als Zentrum für Gedächtnisbildung und Verhaltensentscheidung gesehen werden kann. Das ist wichtig, da die Erforschung von Insektengehirnen auch für das Verständnis der Funktion von komplexeren Gehirnen relevant ist", resümiert Studienteilnehmer Dr. Cansu Arican. Dass auch ein Insekten-Gehirn komplexer ist als zunächst angenommen, legen dagegen weitere wissenschaftliche Experimente nahe.
Haben Insekten ein Gehirn? Versuche mit Hummeln zeigt Erstaunliches
Zu den Pionieren auf dem Gebiet der Verhaltensforschung von Bienen und Hummeln gilt der deutsche Verhaltensbiologe Lars Chittka, der an der "School of Biological and Behavioural Sciences" der Queen Mary University in London forscht. In einem aufsehenerregenden Experiment, das 2016 zunächst in der Zeitschrift "PLOS Biology" veröffentlicht wurde und auch bei YouTube zu sehen ist, untersuchten Chittka und sein Team die kognitiven und sozialen Fähigkeiten von Hummeln bei der Nahrungsbeschaffung.
Hierbei wurden den Insekten eine Reihe von Plastikblumen mit Nektar vor die Fühler gesetzt, wobei diese durch transparente Platten unter Verschluß gehalten wurden. Nur ein Faden lugte aus der Futterstelle hervor. Der einzige Weg zum Nektar lag für die Hummeln nun darin, am Faden zu ziehen, um die als Plastikblumen getarnten Fressnäpfe hervorzuziehen und von den Glasplatten zu befreien. Es zeigte sich: Nach ein paar Anlaufschwierigkeiten hatten die Hummeln den Dreh raus. Und: Es reichte eine einzige Hummel, um auch andere auf die Idee zu bringen am Faden zu ziehen.
Spricht ein Insekten-Gehirn auch für ein Bewusstsein?
Das Hummel-Experiment zeige laut Spektrum Wissenschaft, dass die Tiere offenbar ein völlig neues Verhalten erlernen können und darüber hinaus diese Erkenntnis sogar weitergeben können. Lange Zeit habe man ein solches Verhalten nur Arten mit einem komplexen Gehirn wie Menschen, Primaten, Delfinen oder einigen Vögeln zugetraut.
Denn es setze eine gewisse "Abstraktionsfähigkeit" voraus, so das Wissenschafts-Magazin: Die "Schülerhummel" müsse den Zweck des Tuns der "Lehrerhummel" erkennen und ihr eigenes Vorgehen entsprechend planen. Einen solchen Plan zu haben und diesen auch anpassen zu können setze voraus, die Konsequenzen des eigenen Handelns vorauszusehen. Für Chittka ist dies unter anderem ein Indiz dafür, dass auch Insekten ein Bewusstsein haben, wie der Verhaltensbiologe in seinem 2022 erschienenen Buch "The mind of a bee" darlegt.