Als Vertrauter von Papst Benedikt wurde der Geistliche Georg Gänswein zu einer der mächtigsten Personen im Vatikan. Nach der Loslösung vom höchsten Hirten-Amt und dem späteren Tod seines Mentors zog der auf Erden verbliebener Landsmann jedoch innerhalb der Kurie Unmut auf sich.
Ein mutmaßlicher Grund: Der aus Baden-Württemberg stammende Erzbischof pflegt schon länger einen durchaus kritischen Umgang mit der römisch-katholischen Kirche und scheut sich nicht davor, unangenehme Themen anzusprechen, mitunter in zahlreichen Büchern. Anfang Juli 2023 verlässt der 66-Jährige das Zentrum seiner Glaubensgemeinschaft in der Vatikanstadt und kehrt in seine frühere Heimat Freiburg zurück.
Georg Gänswein: Vom südlichen Schwarzwald bis in den Vatikan
Dabei handelt es sich um seine Geburtsregion: Georg Gänswein kam kloster-riedern.de zufolge als erstes von fünf Geschwistern (zwei Schwestern, zwei Brüder) in Riedern am Wald auf die Welt, einer ländlichen Idylle im südlichen Schwarzwald. Der Vater war Schmied und engagierte sich in der Lokalpolitik, seine Mutter war Hausfrau. Nach dem Abitur begann der damals 20-Jährige laut KNA ein Theologie- und Philosophie-Studium in Freiburg, drei Jahre später führte ihn sein Lebenslauf noch jung an die Päpstliche Universität Gregoriana nach Rom.
Anschließend folgte die Rückkehr nach Deutschland, wo er im badischen Mosbach als Diakon arbeitete. Nach seiner Priesterweihe 1984 ging es in den Achtziger-Jahren nach Oberkirch, wo er zwei Jahre als Hilfspriester fungierte. Zuvor habe er sich sogar "begeistert" dem Tennisspielen hingegeben und sei als Skilehrer tätig gewesen, führt kloster-riedern.de aus.
Schließlich zog es ihn für ein zusätzliches Kirchenrechtsstudium in Bayerns Landeshauptstadt München, von wo ihn sein Weg über Freiburg (1994) nach Rom in den Vatikan führte - wo er einen Lehrauftrag an der Päpstlichen Universität wahrnahm. 2003 wurde er schließlich persönlicher Assistent von Kardinal Joseph Ratzinger, dem er fortan dem Vernehmen nach kaum mehr von der Seite wich. Nach der Benennung zu Papst Benedikt XVI avancierte Gänswein schließlich zu dessen Privatsekretär.
Erzbischof Gänswein: Nach dem Rückzug von Papst Benedikt gab es Spannungen
Manche bezeichneten Gänswein, der im Juli 2023 67 Jahre alt wird, angesichts seiner optischen Erscheinung sogar als "schönen Mann im Hintergrund" (Bayerischer Rundfunk). Selbst Vergleiche mit James-Bond-Darstellern wurden früher getätigt. Was den gebürtigen Schwarzwälder tatsächlich mit dem Geheimagenten von der Leinwand verbindet: Gänswein scheute sich nicht davor, sich mit den Führern der Glaubensgemeinschaft anzulegen und eine abweichende Meinung zu vertreten.
In den vergangenen Jahren sollte auch das Verhältnis zu Benedikt-Nachfolger Papst Franziskus hart auf die Probe gestellt werden, wie katholisch.de ausführt. Beide Personen hätten "keine gemeinsame Arbeitsebene gefunden", erläutert das Portal zudem.
Kurz nach seinem Ausscheiden 2012 verlieh Benedikt XVI ihm den Titel Titularerzbischof: ein spezielles Amt, das kein eigenes Bistum vorsieht. Zunächst blieb der Mann aus Deutschland Präfekt des Päpstlichen Haushaltes, wo er im August 2013 im Amt bestätigt wurde. 2020 folgte jedoch ein Vorgang, der wohl als Bruch bezeichnet werden kann: Papst Franziskus beurlaubte Gänswein von seinen Aufgaben.
Nach dem überraschenden Rückzug des emeritierten Papstes Benedikt XVI diente Gänswein "nur" noch als Privatsekretär, darüber sprach Gänswein auch mit unserer Zeitung. Der Fokus sollte darin liegen, sich im Kloster Mater ecclesiae ganz dem Wohl des emeritierten Papstes Benedikt XVI. zu widmen.
Mit diesem bewohnte er seit 2013 bereits einen gemeinsamen Trakt in den vatikanischen Gärten. Freiwillig trennte sich der Kurienerzbischof von seinem bisherigen Aufgabengebiet nicht: Es habe "geschmerzt", ließ Gänswein in einem Interview mit dem Magazin Die Bunte wissen - und bezeichnete die Entfernung aus dem päpstlichen Haus als eine Art "Bestrafung". Daran änderte offenbar auch nichts, dass er offiziell erst 2023 aus diesem Amt ausschied.
Gänsweins Medienoffensive war Vatikan-Vertretern ein Dorn im Auge
Was das Verhältnis zwischen Oberen des Vatikans und Gänswein zusätzlich beeinträchtigte: Schon kurz nach der Beisetzung des verstorbenen Benedikt XVI. erschien in Italien ein Buch von dessen Privatsekretär: In den Memoiren "Nient'altro che la Verità" ("Nichts als die Wahrheit") berichtete Gänswein über sein Leben an der Seite des früheren Pontifex, sowohl vor als auch während dessen Amtszeit - und in den knapp zehn Jahren nach dessen Rücktritt.
In einigen Publikationen war vorab von einer Abrechnung Gänsweins mit Kritikern Benedikts und auch mit Papst Franziskus die Rede, führt das Portal CNA aus. Mitunter ranghohe Kirchenvertreter sahen diese Medienoffensive jedoch kritisch und bezichtigten ihn, den Tod von Joseph Ratzinger für seine Zwecke auszunutzen. Nach einer Audienz bei Papst Franziskus sei allerdings davon die Rede gewesen, dass in den Medien auch ein verzerrtes Bild über das Buch entstand, was erzdioezese-wien.at bestätigt.
Kürzlich bestätigte das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg schließlich, dass Gänswein auf Anweisung von Papst Franziskus ab Juli 2023 in seine Heimatdiözese, das Erzbistum Freiburg, zurückkehren werde. Damit haben sich die Gerüchte um eine Botschafter-Rolle für den Vatikan in Costa Rica erledigt. Welche Aufgabe der Bischof, der nicht mit der Leitung eines Bistums betraut ist - aber noch nicht in Pension - übernimmt, ist bis dato unklar. Wie ein Sprecher des Erzbistums gegenüber BR24 bestätigte, ziehe Gänswein ins Freiburger Priesterseminar.