Der 44-jährige Geiselnehmer, der am Freitag mehrere Menschen im Starbucks-Café am Ulmer Münsterplatz in seine Gewalt genommen hatte und später von der Polizei durch Schüsse außer Gefecht gesetzt wurde, ist aus dem künstlichen Koma erwacht. Er gilt aber noch als nicht vernehmungsfähig. So die Rückmeldung der behandelnden Ärzte an die Ermittler, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Ulm auf Nachfrage unserer Redaktion am Montag mitteilt. Unabhängig davon will die Ermittlungsbehörde einen Haftbefehl beantragen.
Der Mann, der nicht aus der Ulmer Region, sondern aus Nordrhein-Westfalen stammt, liegt demnach weiterhin in einem Ulmer Krankenhaus. Vorausgesetzt das Verfahren zur Haftprüfung wird eröffnet und der Befehl zugelassen, ist davon auszugehen, dass der 44-Jährige ins Gefängniskrankenhaus nach Hohenasperg verlegt wird. Eine normale Justizvollzugsanstalt dürfte sein Gesundheitszustand wohl noch nicht zulassen, so die Sprecherin der Staatsanwaltschaft. Möglich wäre auch die Anordnung zur Unterbringung in eine psychiatrische Klinik.
Geiselnahme in Ulm: Am heutigen Nachmittag könnte es neue Informationen geben
Die Ermittlungen zu den Hintergründen der Tat dauern derweil an. Nach bisherigen Erkenntnissen hatte der 44-Jährige am Freitag gegen 18.45 Uhr mehrere Menschen in seine Gewalt genommen. Zu dem Zeitpunkt befanden sich nach ersten Ermittlerangaben 13 Personen im Starbucks-Café. Sieben davon habe der Mann noch vor dem Eintreffen der Polizei gehen lassen. Die übrigen sechs Personen habe er "über einen längeren Zeitraum" festgehalten. Wie lange genau, müsse noch ermittelt werden. Wohl variieren auch die Personenzahlen immer mal wieder - je nach Zeugenaussagen. Später soll der Mann weitere fünf Personen frei gelassen haben. Ob aus freien Stücken oder ob es Gespräche mit der Polizei gab, ist offen. Gegen 20.20 Uhr habe er das Café mit einer Geisel verlassen, um zu flüchten.
Laut Oberstaatsanwalt Michael Bischofberger wird derzeit davon ausgegangen, dass jene Geisel unmittelbar vor dem Mann mit erhobenen Händen das Café verlassen hat und dabei mit einer vermeintlichen Schusswaffe bedroht wurde. Nähere Angaben zu dieser Person, wie Alter oder Geschlecht, werden weiter zu ihrem Schutz nicht gemacht. Durch Schüsse der Polizei ist der Mann handlungsunfähig gemacht worden. Wie viele Beamte geschossen haben und wo sie den Mann trafen - dazu werden keine Angaben gemacht. Vier Schüsse waren deutlich zu hören. Der 44-Jährige wurde schwer verletzt und kam ins Krankenhaus. Lebensgefahr besteht nicht. Alle Geiseln blieben zumindest physisch unversehrt.
In einer Tasche und im Auto des 44-Jährigen wurden später Waffen wie Messer, Äxte und eine Machete gefunden. Die Tasche habe er bei sich gehabt. Das Fahrzeug habe sich im Ulmer Innenstadtbereich befunden. Wo genau, wird nicht gesagt. Bei der Pistole und dem Gewehr, das er bei der Geiselnahme bei sich hatte, handelte es sich - wie sich später herausstellte - um täuschend echt aussehende Softair-Waffen. Als die Schüsse fielen, habe man davon ausgehen müssen, dass der Mann eine echte Waffe gehabt und eine konkrete Gefahr für die Geisel bestanden habe, sagte Bischofberger. Als unklar gilt für die Ermittler noch, warum der Mann überhaupt nach Ulm kam. "Wir wissen nicht, was er hier wollte", so die Sprecherin.
Ein möglicher Anhaltspunkt könnte sein Bezug zur Bundeswehr sein. Nach Informationen unserer Redaktion soll der 44-Jährige als Soldat in Unna, nördlich von Iserlohn in Nordrhein-Westfalen stationiert sein. Dort gibt es ein Sanitätsversorgungszentrum. Theoretisch möglich wäre, dass der Soldat aus beruflichen Gründen, zum Beispiel zur Fortbildung, in der Ulmer Region war. In Dornstadt gibt es bei der Bundeswehr ein Sanitätsregiment. Bei den Waffen, die er mitgeführt hatte, soll es sich um keine Bundeswehr-Waffen handeln. Oberstaatsanwalt Bischofberger wollte dazu keine Angaben machen; sollte der Mann später als nicht schuldfähig gelten, müsse er bei Angaben gegenüber der Öffentlichkeit zurückhaltender sein.
Medien berichten von Suizidabsichten des Bundeswehr-Soldaten
Bischofberger bestätigte auch, dass der Täter "vor etlichen Jahren" in Afghanistan im Einsatz war. Die Bild berichtete, dass er deswegen unter einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) leide. Vor etwa einer Woche soll er Verwandten gesagt haben, er wolle sich von Polizisten erschießen lassen. Laut dpa hatte der Mann offenbar während der Geiselnahme gesagt, er wolle von der Polizei erschossen werden. Er soll in der Vergangenheit mehrfach Suizidabsichten geäußert haben. Ein Abschiedsbrief oder dergleichen ist den Ermittlern bislang nicht bekannt.
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