Die ersten Langerringer waren Ackerbauern und Viehzüchter: Seit einigen Wochen kommt eine historische Siedlung im Gewerbegebiet Am Römergut zum Vorschein. Auch ein Skelett wurde entdeckt. Vermutlich handelt es sich um eine Frau, die vor 4000 bis 7000 Jahre lebte. Die archäologische Ausgrabung ist die derzeit größte in der Region.
Mitarbeiter der Grabungsfirma Neupert-Kozik-Simm aus München untersuchen, vermessen und dokumentieren die Funde. 250 sind es bereits, berichtet Grabungsleiter Timo Wegner. Spektakulärster Fund ist ein Skelett. Aus den Knochenresten, die nicht mehr im Boden liegen, gehören auch 20 Zähne. Sie sind an der Oberseite abgeschliffen. Das deutet auf die Essgewohnheiten von damals hin, erklärt Wegner.
Die Menschen in der Jungsteinzeit beziehungsweise der Bronzezeit wären bereits in der Lage gewesen, Getreide zu mahlen. Der Abrieb der Mahlsteine vermischte sich mit dem Mehl und sorgte schließlich dafür, dass die Zähne der Menschen abgeschliffen wurden. Auf dem Grabungsgelände, das nicht betreten werden darf, finden sich noch weitere Spuren der Ur-Langerringer. Metall gehört nicht dazu.
Beim Abtrag der obersten Erdschicht kamen auf dem feinen Löss-Boden dunkelfarbige Punkte zum Vorschein. Sie zeigen den Archäologen, wo in der Vorgeschichte Häuser standen. Die Punkte sind die Reste von Pfählen, die das Grundgerüst von Gebäuden bildeten. Die Wände aus Astgeflecht wurden mit Lehm bestrichen, als Dach dienten Stroh, Schilf oder Holzschindeln. Bislang konnten die Archäologen zwei Gebäude im Boden feststellen. Es gibt noch weitere Funde, die wie ein Fenster in die Vergangenheit sind.
Warum Abfall für die Forscher in Langerringen wertvoll ist
Auf dem Areal entdeckten die Mitarbeiter der Grabungsfirma mehrere Gruben. Darin wurde zum Beispiel Abfall abgeladen. In einer Grube kamen Keramikreste zum Vorschein. Die Scherben zeigen, dass die Ur-Langerringer große, bauchige Gefäße besaßen. Darin ließ sich zum Beispiel Getreide aufbewahren. Was auffällt: Damals spielte bereits die Optik eine Rolle, denn auf einigen Scherben sind Zierleisten zu erkennen.
Eine andere Grube zeigt, wie damals gekocht wurde: freilich mit offenen Feuer. Aber mit einer Besonderheit. Ins Feuer legten die Menschen Steine, die sich erhitzten. Mit ihnen ließen sich dann zum Beispiel eingewickelte Speisen über einen längeren Zeitraum garen. Entsprechend ist von Gargruben die Rede. Die entdeckten Reste sollen archäo-botanisch untersucht werden. Damit lassen sich Rückschlüsse über das Essen oder das Pflanzenspektrum führen.
C14-Methode gibt einen genauen Aufschluss über das Alter
Durch die Knochenreste erhoffen sich die Wissenschaftler weitere entscheidende Hinweise. Mit der C14-Methode, der sogenannten Radiokohlenstoffdatierung, lässt sich das Alter von Funden bestimmen. Die Analyse beruht auf dem Zerfall eines bestimmten Kohlenstoffisotops, das in den oberen Schichten der Atmosphäre entsteht und später von allen Lebewesen aufgenommen wird. Was ohne die kostspielige Untersuchung schon bekannt ist: Die Frau wurde in gehockter Stellung begraben und lag wohl seitlich auf der Schulter. Ihr Kopf zeigte nach Westen. Diese Beerdigungsform sei nicht ungewöhnlich, sagt Grabungsleiter Wegner. Sie gehört zu den ältesten bekannten Bestattungen.
Wie man sich das Leben im Ur-Langerringen vorstellen muss, erklärt Dr. Hubert Fehr. Er leitet die Außenstelle des Landesamts für Denkmalpflege in Thierhaupten und ist für die Regierungsbezirke Schwaben und Mittelfranken zuständig. Vermutlich handelte es sich um eine Großfamilie, die zwischen Langerringen und Schwabmünchen lebte, so Fehr. Sie betrieb Ackerbau und Viehzucht. Der Standort für das Gehöft, das auch eine Pionier-Siedlung gewesen sein könnte, sei bewusst gewählt worden. Auf der Hochterrasse zwischen Wertach und Lech hatten die Menschen mit dem ertragreichen Löss besten Boden, "eine 1a-Lage", sagt Fehr. Angebaut wurden Emmer, Einkorn oder Dinkel. Am Rand der Hochterrasse hatten die Menschen schnell Zugriff auf Wasser.
Dass der Immobilienstandort perfekt war, zeigt sich auch in weiteren Funden im Umfeld. In Langerringen wurden beispielsweise unweit römische Rest entdeckt. Deshalb heißt das Gewerbegebiet auch Am Römergut. Vor vier Jahren kamen bei Ausgrabungen auf dem Gelände der Firma Ritter, das nur einige hundert Meter entfernt liegt, viele Funde aus unterschiedlichen Epochen ans Licht.
Die aktuellen Funde von Langerringen gehörten zu den Beispielen frühester Ackerbaukultur in der Region, sagt Archäologe Fehr. Investor Gerhard Breher, der auf dem Areal einen Freizeitkomplex mit Kino errichten will, überlegt, die Ergebnisse der Ausgrabung in irgendeiner Form der Nachwelt zu zeigen. Für Langerringens Bürgermeister Marcus Knoll wäre eine Ausstellung im Rathaus vorstellbar. Er würde sich auch über einen Vortrag der Experten freuen, um die frühe Geschichte seiner Heimat darzustellen. Knoll: "Es ist identitätsstiftend zu sehen, wie unsere Vorfahren gelebt haben."