Sprechchöre wie „Nazis raus aus Weißenhorn“ und „Ganz Weißenhorn hasst die AfD“, dazu Buhrufe und Pfiffe: Zahlreiche Demonstrierende aus dem bürgerlichen Lager und Anhänger linker Gruppierungen haben Besucherinnen und Besuchern der AfD-Veranstaltung am Dienstagabend einen lauten Empfang bereitet. Nach einer Schätzung der Polizei waren es etwa 320 Menschen, die vor der Halle an einer Demonstration für Vielfalt, Demokratie und ein vereintes Europa teilgenommen haben.
Das Antifaschistische KoordinationsKollektiv Ulm war unter anderem an den Protesten gegen den Wahlkampfauftritt der rechten Partei vor der Europawahl beteiligt, zudem einige Kommunalpolitikerinnen und -poltiker aus Weißenhorn. Mit einer Absperrung trennte die Polizei, die mit einem großen Aufgebot vor Ort war, die beiden Gruppen. Vergeblich hatte die Stadt Weißenhorn noch versucht, die Veranstaltung mit dem AfD-Spitzenkandidaten Maximilian Krah zu verhindern. Denn eigentlich möchte die Stadt nicht, dass innerhalb von vier Wochen vor einer Wahl noch Parteiveranstaltungen in städtischen Einrichtungen stattfinden. Doch nach Angaben von Bürgermeister Wolfgang Fendt (parteilos) hat ein Mitarbeiter der Kommune den Vier-Wochen-Ausschluss nicht gekannt und die Halle an die AfD vermietet.
Bürgermeister von Weißenhorn will einen Grundlagenbeschluss vorbereiten
Die AfD klagte deshalb vor dem Verwaltungsgericht Augsburg - und bekam Recht. Zur Begründung teilte ein Sprecher des Gerichts am Dienstag mit, dass es zwar eine derartige Sperrfrist von vier Wochen für Parteievents vor einer Wahl seitens des Ministeriums geben mag. Diese beschränke sich dann aber auf Einrichtungen des Freistaates und gelte nicht für Gebäude einer Kommune wie die Weißenhorner Stadthalle. Jene Vorgabe könne sich eine Kommune zu eigen machen. Das sei in Weißenhorn aber nicht erfolgt. Es brauche einen klaren, für die Stadt aufgestellten Rahmen, in dem der vierwöchige Zeitraum festgelegt ist - eine verbindliche Widmungsbeschränkung. "Die hat aus Sicht der Kammer gefehlt", so der VG-Sprecher.
Wolfgang Fendt sagte am Dienstag, dass er nun einen Grundlagenbeschluss des Stadtrats vorbereiten werde, damit städtische Gebäude künftig vier Wochen vor der Wahl nicht mehr den Parteien zur Verfügung gestellt werden. Die Stadt will in Zukunft die Vorgabe der Staatsregierung übernehmen, wonach staatliche Gebäude eben 28 Tage vor der Wahl den Parteien nicht vermietet werden. Vor der Landtagswahl im Oktober 2023 hatte sich die Stadtverwaltung daran bereits orientiert, weswegen die Grünen schon einmal die Stadthalle im Wahlkampf nicht nutzen konnten, sagte Fendt.
Die Grünen hatten sich deshalb bei der Stadt beschwert, nachdem sie von der geplanten Veranstaltung der AfD erfahren hatten. "Das sollte man schon nochmal ansprechen, wie das zustande kam", sagte der Grünen-Stadtrat Ulrich Fliegel, der an der Demo teilnahm. "Es ist eine Sache, über die man nachdenken sollte, bevor man eine Unterschrift setzt." Der SPD-Stadtrat Herbert Richter sagte, dass die Entwicklung viele Menschen dazu veranlasst habe, zu der Demo zu kommen.
Freude in der Halle über die Niederlage der Stadt
"Seid laut und seid friedlich" forderte die Versammlungsleiterin die Teilnehmenden auf. "Keine Bühnen den Rechten" war auf einem großen Transparent zu lesen, zudem hielten Menschen Schilder mit Botschaften wie "Vielfalt statt Einfalt" und "Wir sind das Volk und ihr die Vaterlandsverräter" hoch.
Gegen 20 Uhr traf der Hauptredner der AfD an dem Abend ein. Während vor der Halle wieder Buhrufe und Pfiffe zu hören waren, erhielt Maximilian Krah in der gut gefüllten Stadthalle viel Applaus. Der Abgeordnete des EU-Parlaments steht bekanntlich wegen Spionagevorwürfen gegen einen seiner Mitarbeiter und wegen möglicher finanzieller Unterstützung aus China und Russland unter Druck.
"Wir mussten unser Recht vor Gericht durchboxen", sagte der AfD-Kreisvorsitzende und Landtagsabgeordnete Franz Schmid bei seiner Begrüßung. "Und ich freue mich, dass die Stadt verloren hat." Auch der Landtagsabgeordnete und Bezirksvorsitzende Christoph Maier wetterte gegen die Stadt und ihren Rathauschef: Jeder Bürgermeister, der sich so verhalte wie der Weißenhorner Bürgermeister es vor der Veranstaltung getan habe, sollte zurücktreten, sagte er.
Der Spitzenkandidat kritisierte in seiner Rede unter anderem die Bundespolitik, die EU und die Presse. Die Wirtschaft werde zerstört, sagte er. Und die Masseneinwanderung sei völlig außer Rand und Band geraten.
Bei Redaktionsschluss war die Veranstaltung noch nicht beendet. Vor und in der Halle blieb es friedlich. (mit dpa)