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Memmingen
Lebenslange Haft gefordert: Der teuflische Plan eines Ehepaars
Der Staatsanwalt und die Anwälte der Nebenkläger halten im Doppelmordprozess das Geständnis und die Aussagen des Hauptangeklagten für völlig unglaubwürdig.
Jens Noll
 |  aktualisiert: 26.04.2024 09:24 Uhr

Die Schlange vor dem Gerichtssaal ist wieder deutlich länger geworden, nicht alle Interessierten bekommen einen Platz. Zum Finale des umfangreichen Prozesses am Landgericht Memmingen um den grausamen Tod eines Ehepaars in Altenstadt erhoffen sich zahlreiche Menschen eine Antwort auf die Frage, wer Karl und Monika O. wirklich umgebracht hat. In einem schriftlich vorgelegten Geständnis hat der Angeklagte Patrick O., der Sohn des Getöteten, wie berichtet die alleinige Schuld auf sich genommen. Doch der Staatsanwalt sowie die Vertreterin und der Vertreter der Nebenkläger haben sich davon nicht überzeugen lassen. Sie haben in ihren Plädoyers am Donnerstagvormittag die Angaben von Patrick O. zum Tathergang regelrecht zerpflückt. 

Eine lebenslange Haftstrafe für den 38 Jahre alten Angeklagten und dessen 33 Jahre alte ebenfalls angeklagte Ehefrau fordern alle drei - weil sie es aufgrund von Äußerungen in Chatnachrichten, den Spuren am Tatort sowie von Aussagen im Rahmen der Beweisaufnahme vor Gericht für erwiesen halten, dass das Paar den Mord aufwendig geplant und die Tat auch gemeinsam ausgeführt hat. Habgier und Heimtücke führen sie als Mordmerkmale an. Außerdem stellte der Staatsanwalt im Hinblick auf die brutale Ausführung der Tat die besondere Schwere der Schuld fest. Das heißt: Im Falle einer Verurteilung sollte die Haftstrafe auch nach 15 Jahren noch vollstreckt werden. Für den Mitangeklagten Joffrey S. aus Albstadt in Baden-Württemberg fordern Staatsanwalt Roman Stoschek und die Nebenklage-Vertreter ebenfalls eine Haftstrafe. Der 33 Jahre alte Freund von Patrick und Julia O. sollte demnach für drei Jahre und zehn Monate ins Gefängnis, weil er Beihilfe zum Mord geleistet hat. 

Doppelmord in Altenstadt: "Die Zeit wird kommen, wo er nicht mehr lebt", schrieb Julia O.

Die Staatsanwaltschaft ging schon in ihrer Anklage davon aus, dass die angeklagten Eheleute sich das Haus von Karl O. im Altenstadter Ortsteil Untereichen und sein Erbe unter den Nagel reißen wollten. Sie begingen demnach die Tat und täuschten einen erweiterten Suizid vor, um zu verhindern, dass der 70-Jährige die Schenkung seines Hauses an den Sohn rückgängig macht. Staatsanwalt Roman Stoschek grub für den Mordprozess noch weiter in der Vergangenheit von Patrick und Karl O., die wegen der Immobilie sogar einen Rechtsstreit hatten. Und diesen Prozess hatte der Sohn eindeutig verloren, wie Stoschek darlegte. Die Enttäuschung sei so groß gewesen, dass der Gedanke der Tötung in Patrick und Julia O. aufgekeimt sei und sie dabei auch den Plan entwickelt hätten, weitere Erbinnen und Erben - ganz konkret Monika O. und deren Kinder - auszuschalten. 

Aus Chatverläufen geht hervor, dass sich Patrick und Julia O. schon Monate vor der Tat sehr abfällig über den Vater äußerten. Außerdem verwendete Julia O. ihrer Mutter gegenüber beleidigende Worte über Monika O. Auch Patrick O. war schlecht auf seine Stiefmutter zu sprechen. Das jüngere Paar äußerte Todesfantasien - dafür lieferte der Staatsanwalt mehrere Beispiele. "Die Zeit wird kommen, wo er nicht mehr lebt", zitierte er unter anderem aus einer Handynachricht von Julia O. "Das wird schön. Ich hoffe, dass es schnell geht." 

Wegen der Zerwürfnisse wollte Patrick O. nach eigenen Angaben seinem Vater eine Schusswaffe unterjubeln, damit die Polizei auf den Senior aufmerksam wird. Er sei deshalb nachts alleine ins Haus des Vaters eingedrungen. Dann sei er allerdings von dem wach gewordenen Ehepaar überrascht worden und es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, in deren Folge er den 70-Jährigen und die 55-Jährige auch durch Stiche mit einem mitgeführten Messer getötet habe. Diese Theorie sei aus mehreren Gründen "realitätsfern", sagte Stoschek. Denn auch das Unterjubeln einer Waffe hätte am Ausgang des Rechtsstreits um die Immobilie nichts geändert. Außerdem wäre es dem Staatsanwalt zufolge doch sehr viel leichter gewesen, die Waffe im Haus zu deponieren, wenn niemand da ist. Julia und Patrick O. wohnten mit ihrer kleinen Tochter im Haus nebenan. Warum sollten sie dann beide den großen Aufwand betreiben, ihren Freund Joffrey S. im 110 Kilometer entfernten Albstadt im Zollernalbkreis zu besuchen, um von dort aus nachts nach Untereichen und wieder zurückzufahren? Dabei bleibe es nebulös, wo die Schusswaffe eigentlich herkam, führte der Staatsanwalt weiter aus. Und er betonte, dass die massiven Verletzungen, die die beiden Leichen aufwiesen, nur durch eine Gewalteinwirkung durch Dritte erklärt werden könnten. Aus der Beweisaufnahme gehe hervor, dass Julia O. bei der Tat dabei gewesen sei, sagte Stoschek. Laut S. hat sie nach der Tat auch die Kleidung gewechselt und sich gewaschen. 

Mord an Ehepaar: Ein Satz sagt nach Ansicht des Nebenkläger-Vertreters alles

Die Tochter und der Sohn von Monika O. treten in dem umfangreichen Prozess als Nebenklägerin und Nebenkläger auf. Sümeyra Öz, die Anwältin der Tochter, sprach von einem "grotesken Niveau" bei der Darstellung des Tathergangs von Patrick O.: "Wer tötet voller Adrenalin zwei Personen und kommt dann auf die Idee, es wie erweiterten Suizid aussehen zu lassen?" Auch sie ist fest davon überzeugt, dass alles von langer Hand geplant war. "Monika O. ist geradezu hingerichtet worden", sagte der Rechtsanwalt Heiko Weber, der den Sohn vertritt. Die Frau hatte einen Spielwarenladen in Laupheim und war wohl sehr beliebt. Der Anwalt zitierte einen Satz, der seiner Ansicht nach von zentraler Bedeutung ist: Am Morgen nach der Tat, so berichtete es Joffrey S., habe sein Freund gesagt: "Es ist nicht gelaufen wie geplant. Es sieht nicht mehr wie Selbstmord aus." Weber: "Der Satz sagt alles." 

Dass der Mitangeklagte nichts von den Mordabsichten wusste, glauben auch Öz und Weber nicht. Nach Ansicht des Staatsanwalts verschaffte er dem Paar ein Alibi, achtete darauf, dass eine Wildkamera ausgeschaltet war, um nicht aufzuzeichnen, wie Patrick und Julia O. mitten in der Nacht in Albstadt aufbrachen, er stellte ihnen für die Fahrt sein Auto zur Verfügung, reinigte dieses sogar danach und passte zudem auf die zweijährige Tochter des Ehepaars auf. Er hat Patrick O. nach eigener Aussage sogar dabei geholfen, eine Waffe zu besorgen. Dieses Vorhaben scheiterte jedoch. In Summe wären das sehr viele Freundschaftsdienste - und es erscheine doch sehr unglaubwürdig, dass man da nicht genauer nachfrage, betonte Weber.

Am 2. Mai will der Richter das Urteil im Mordprozess Altenstadt verkünden

Der Staatsanwalt fasste zusammen: "Er hatte Kenntnis von den Plänen und nahm diese auch billigend in Kauf." Zugunsten von S. wertete Stoschek allerdings dessen umfangreiche Ausführungen, die auch zur Aufklärung der Tat beigetragen haben. 

Am vorletzten Verhandlungstag, also am 30. April, sind die Anwälte der Angeklagten mit ihren Plädoyers an der Reihe. Am 2. Mai will der Vorsitzende Richter Bernhard Lang dann das Urteil verkünden.

 
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