Sie erkennen die Bundesrepublik nicht an, berufen sich auf das "Deutsche Reich" und sprechen den Vertretern des Staates ihre Legitimation ab. Die sogenannten Reichsbürger sind in den vergangenen Jahren in Deutschland in den Fokus gerückt, vor allem, seit welche von ihnen auf Polizisten geschossen haben, eine Entführung von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach planten und Umsturzpläne schmiedeten. Ein Treffen von Reichsbürger-Sympathisanten aus ganz Deutschland und aus Österreich am vorigen Wochenende in Wemding sorgte überregional für Aufsehen. Gibt es eine solche Szene auch im Landkreis Donau-Ries? Das Thema sei vor allem bei Behörden in der Region "allgegenwärtig", berichtet ein Beamter, der anonym bleiben will. Er hat Einblicke und ist der Überzeugung, dass von solchen Menschen durchaus eine Gefahr ausgeht.
Konrad Weiß, Leiter des Finanzamts Nördlingen mit Außenstelle Donauwörth, erklärt auf Anfrage unserer Redaktion ohne langes Überlegen: "Ja, auch wir sind betroffen." Immer wieder gingen Schreiben von Reichsbürgern bei der Behörde ein. Sie leugneten, dass es die Bundesrepublik gibt und täten kund, dass folglich auch die Steuergesetze nicht anwendbar seien. Weiß spricht von "kruden Begründungen". Zuletzt sei das Finanzamt gehäuft mit solchen Personen in Kontakt gekommen. Dies liege wohl an der Grundsteuer-Erklärung, die jeder Immobilien-Eigentümer abgeben musste, damit die Steuer neu berechnet werden kann.
Finanzamt ergreift gegen Reichsbürger Maßnahmen bis hin zur Pfändung
Die Reaktion des Amts sei stets gleich: Es versendet Antwortschreiben, dass die von den Reichsbürgern geäußerten Auffassungen falsch seien. Ansonsten, so betont der Amtsleiter, würden diese Leute "ganz normal behandelt". Soll heißen: Wenn sie Angaben verweigern oder nicht zahlen, gebe es erst ein Mahn- und dann ein Vollstreckungsverfahren. Die Maßnahmen reichten bis zur Pfändung von Konten. "Viele fügen sich dann", berichtet Weiß. Der stellt klar, seine Behörde ziehe in keinem Fall zurück: "Wir nutzen alle Möglichkeiten, die wir haben."
Manchmal komme es vor, dass Schreiben von Reichsbürgern eingehen, die strafrechtlich relevant sind. Soll heißen: Sie drohten damit, Beamte mit Millionenbeträgen persönlich haftbar zu machen, wenn ihnen Nachteile entstünden. Das Amt erstatte in solchen Fällen Anzeige wegen des Verdachts der Nötigung.
Landratsamt berichtet von seitenlangen Schreiben und absurden Argumenten
Das Gebaren der Reichsbürger ist auch im Landratsamt Donau-Ries bekannt. Meist trete dieser Personenkreis per Post mit verschiedensten Stellen der Kreisbehörde sowie vereinzelt auch mit Städten oder Gemeinden in Kontakt. Typisch sei, dass solche Menschen Ausweise beantragen und sich dabei auf das Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz in der Fassung von 1913 berufen. Es würden seitenlange Schreiben gesendet, die mit "vollkommen haltlosen, geradezu absurden pseudo-rechtlichen Argumenten" gespickt seien. Auslöser dafür seien oft behördliche Anordnungen oder Bußgelder gegen diese Personen.
Das Landratsamt betont, man lasse sich "selbstverständlich nicht beeindrucken". Man lasse sich grundsätzlich auch nicht auf inhaltliche Diskussionen ein. Vollzugs- und Vollstreckungsmaßnahmen würden "konsequent durchgeführt".
Im Donau-Ries-Kreis sind 68 Reichsbürger-Verdachtsfälle aktenkundig
Doch wie groß ist die Reichsbürger-Szene im Landkreis Donau-Ries? Das Landratsamt teilt mit, dass in den vergangenen sieben Jahren 68 Verdachtsfälle registriert wurden. Dem Polizeipräsidium Schwaben Nord sind im Landkreis "gut 40 Personen als Reichsbürger bekannt". Verdachtsfälle werden bei einer zentralen Stelle im Landratsamt erfasst und an die Polizei weitergeleitet. Diese überprüft die Betroffenen. Bestätige sich der Verdacht, würden sie als "unzuverlässig" eingestuft, denn: "Man muss annehmen, dass sie sich als außerhalb der Rechtsordnung der Bundesrepublik stehend definieren." Deshalb bestehe die Besorgnis, so das Polizeipräsidium, "dass es zu Verstößen gegen genau diese Rechtsordnung kommt". Besonderes Augenmerk liegt laut Landratsamt auf Waffenbesitzern. In diesen Fällen werde unverzüglich gehandelt. Die waffenrechtliche Erlaubnis werde entzogen und die Waffen würden eingezogen. Dies sei bisher im Landkreis einmal geschehen.
Ab und zu wird auch das Amtsgericht in Nördlingen direkt mit Reichsbürgern konfrontiert. 2016 kam es dabei zu bizarren Ereignissen. Als ein Prozess gegen einen 62-Jährigen anstand, welcher der Szene angehört, versuchten mehrere Sympathisanten in das Gericht zu gelangen. Einer war mit einer Robe als Richter verkleidet, ein anderer gab sich als Staatsanwalt aus. Sie wurden wegen Amtsanmaßung angezeigt.