Als die Polizisten den Tresor im Fastfood-Restaurant in Gersthofen öffneten, ahnten sie, worauf sie stoßen würden: viel Geld, das aller Wahrscheinlichkeit nach aus Drogengeschäften stammt. Tatsächlich beschlagnahmten die Kripo-Ermittler am Tag der Großrazzia im Juli vergangenen Jahres alleine in dem Restaurant mehr als 30.000 Euro. Die mutmaßlichen Dealer waren nach Erkenntnissen der Beamten dick im Geschäft, sie sollen sechsstellige Beträge erwirtschaftet haben. Jetzt stehen in einem der größten Drogenverfahren der vergangenen Jahre in Augsburg zwei Prozesse gegen die Hauptverdächtigen an, darunter den mutmaßlichen Chef der Bande, der sich offenbar gerne „Patron“ nennen ließ und das Geld im Tresor gebunkert haben soll. Insgesamt richten sich die Ermittlungen im Komplex aber noch einmal gegen erheblich mehr Personen – darunter ist offenbar auch ein Polizist.
Staatsanwaltschaft und Polizei gehen davon aus, dass eine Kerngruppierung von vier Männern, zwischen 22 und 36 Jahre alt, einen regelrechten Drogenring aufzogen hat. Alle vier sitzen seit der Razzia im Juli in Untersuchungshaft. Damals hatte die Aktion der Polizei für enormes Aufsehen gesorgt; in Gersthofen und in Schwabmünchen war das SEK angerückt. Ein Verdächtiger versuchte zu fliehen und kollidierte mit seinem Auto auf dem Parkplatz eines Getränkemarkts zunächst mit mehreren Fahrzeugen, ehe ihn die Polizei mitnahm.
Anklage in Augsburg: Mitglieder eines Drogenrings vor Gericht
Bereits vor Monaten erhob die Staatsanwaltschaft Augsburg Anklage; nach Informationen unserer Redaktion werfen die Ermittler den Verdächtigen vor, vor allem kiloweise mit Kokain und Marihuana gehandelt zu haben, aber auch mit so ziemlich allen anderen illegalen Drogen: Heroin etwa, aber auch Ecstasy und Amphetamine. Die Gruppierung soll professionell vorgegangen sein, eine Hierarchie gepflegt und zuweilen brutal agiert haben.
Anfang Juli startet die Verhandlung gegen die vier Männer, die bislang zu den Vorwürfen schweigen. Eine Woche später beginnt vor einer anderen Strafkammer ein weiterer Prozess aus dem Ermittlungskomplex, angeklagt ist ein weiteres mutmaßliches Mitglied des Drogenrings, die Vorwürfe wiegen in dem Fall aber nicht ganz so schwer. Anfang des Jahres hatte das Landgericht einen Drogenkurier der Bande zu sieben Jahren Haft verurteilt; zumindest für die vier hauptverdächtigen Männer könnte die Strafe noch einmal heftiger ausfallen.
Neben diesem Prozess gibt es in dem Ermittlungskomplex weitere Verfahren gegen mutmaßliche Abnehmer und Händler des Rauschgiftes. Nach Informationen unserer Redaktion gehen die Ermittler dabei auch dem Verdacht nach, dass ein Beamter aus Augsburg darunter gewesen sein könnte. Wie berichtet, ist einem Polizisten des Innenstadtreviers, im Polizeijargon „PI Mitte“ genannt, seit Monaten ein „Verbot der Führung der Dienstgeschäfte“ ausgesprochen worden, da gegen ihn wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz ermittelt wird.
Was den Verdacht begründet und worin er konkret besteht, ist bislang nicht bekannt. Dem Vernehmen nach aber soll es konkrete Hinweise geben, dass der Beamte in privatem Kontakt zur Gruppierung gestanden haben könnte. Die Kripo hatte die Telefone der Verdächtigen wochenlang abgehört. Tauchte etwa in dem Zusammenhang der Name des Beamten als potenzieller Käufer auf? Das ist, wie viele Details, noch nicht klar.
Drogengeschäfte im Raum Augsburg: Fluchtversuch nach SEK-Razzia
Die Beamten, die im Innenstadtrevier tätig sind, haben einen der anstrengendsten Jobs im Polizeialltag der Stadt. Es gibt im Zentrum deutlich mehr Einsätze als in den anderen Stadtteilen, das Nachtleben in der Maxstraße, jede Menge Demonstrationen, die Drogenszene am Königsplatz. Dass die internen Ermittler gegen einen der Beamten hier ermitteln, sorgt im Kollegenkreis in Augsburg für Aufsehen, zumal der Verdächtige in der vergleichsweise jungen Inspektion als erfahrener Kollege gilt – und selbst als Rauschgiftermittler tätig war.
Wie in solchen Fällen üblich, wurde der Fall von der Kripo an die internen Ermittler des LKA abgegeben. Bei den offiziellen Stellen gibt man sich derzeit wortkarg, was den Stand des Verfahrens angeht. Bei Fragen zu dem Fall verweist der Sprecher des LKA auf die Staatsanwaltschaft, die sie mit Verweis auf die laufenden Ermittlungen aktuell nicht beantwortet. Möglich, dass die Zugeknöpftheit darin begründet liegt, dass die Angelegenheit heikel ist; möglich aber auch, dass die Ermittlungen in dem Fall bislang einfach nicht viel zutage förderten und sich die Vorwürfe als haltlos erweisen. Bis zu einem etwaigen Gerichtsurteil gilt die Unschuldsvermutung.