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Donauwörth
Hepatitis-Arzt muss die Ansteckungsquelle in Donauwörth gewesen sein
Sachverständige Virologen schildern im Hepatitis-Prozess am Landgericht Augsburg, was die Blutuntersuchungen ergeben haben. Und sie erzählen, woran Betroffene leiden können.
Barbara Würmseher
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:04 Uhr

Wie ist das Hepatitis-C-Virus des infizierten Anästhesisten in den Blutkreislauf seiner OP-Patienten in der Donau-Ries-Klinik gekommen? Das ist und bleibt eine der zentralen Fragen im sogenannten Hepatitis-Prozess am Landgericht Augsburg. Letztlich soll durch deren Beantwortung auch geklärt werden, ob der Angeklagte vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Auch am dritten Prozesstag beschäftigte sich die Dritte Strafkammer am Montag nun damit, eine Antwort auf diese so wichtige Frage zu finden. Diesmal kamen Sachverständige zu Wort, die sich mit Virologie auskennen und über allgemein mögliche Übertragungswege wie auch gesundheitlichen Folgen für Infizierte Auskunft geben konnten. 

Angeklagt ist bekanntlich ein 60-jähriger früherer Arzt des Donauwörther Krankenhauses, der von 2008 bis 2018 dort arbeitete und damals von Medikamenten abhängig war. Er hat, wie er selbst zugab, Narkotika bei Operationen heimlich abgezwackt und sich diese selbst gespritzt. Auf welchem Weg der damals unwissentlich mit Hepatitis C infizierte Mediziner dann auch seine Patienten angesteckt hat, will das Gericht unter Vorsitz von Christoph Kern ergründen. Dass der Narkosearzt die Quelle all dieser Infektionen war, daran gibt es kaum einen Zweifel. 51 Fälle werden ihm von der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt. 

Prozess in Donauwörth: Hepatitis wird durch Blut-zu-Blut-Kontakt übertragen

Welche Übertragungsweisen sind denkbar? Grundsätzlich funktioniert die Infektion des Hepatitis-C-Virus von Mensch zu Mensch ausschließlich über Blut, nicht über andere Körpersekrete. Und es genügen kleinste Mengen von Blut, die noch nicht einmal mit bloßem Auge erkennbar sein müssen, wie der Sachverständiger Dr. Nikolaus Ackermann im Gerichtssaal erklärte. Der Virologie, Mikrobiologe und Facharzt für Infektionsepidemiologie am Bayerischen Landesamt für Gesundheit in Oberschleißheim beschrieb, dass ein Blutstropfen von 30 Mikrolitern etwa 20.000 Viren enthalten kann und damit ein Infektionsrisiko von 1,8 Prozent in sich birgt.

Werde einem Menschen eine Flüssigkeit aus einem Behälter mit einem kontaminiertem Blutstropfen injiziert, sei die Ansteckungsgefahr deutlich höher. "Viren können in Flüssigkeit gut überleben." 

Der beschuldigte Arzt hatte am ersten Prozesstag eingeräumt, er könne sich beim Setzen von Kanülen unabsichtlich gestochen oder beim Aufbrechen von Ampullen versehentlich geritzt haben. Dabei hätte sein Blut zum Blut der Patienten gekommen sein können. Was er von jeher konsequent verneinte: dass er für sich selbst und die Patienten ein und dieselben Spritzen verwendet hat. 

Alles deutet auf Anästhesist des Krankenhaus Donauwörth als Ansteckungsquelle hin

Dass der Angeklagte die Ansteckungsquelle der Patienten der Donau-Ries-Klinik ist, steht wohl außer Frage. Es wurde in nahezu allen Fällen der Genotyp 3a des Hepatitis C-Virus nachgewiesen, an dem auch der Arzt damals litt. Darüber hinaus wurden bei einer großen Anzahl Patienten auch weitere übereinstimmende Untertypen festgestellt – die ebenfalls auf den Mediziner hindeuten. 

Das bestätigte auch Professor Jörg Timm, der Leiter des Instituts für Virologie der Uniklinik Düsseldorf, den Vorsitzender RichterChristoph Kern den Prozess-Beteiligten als den "Hepatitis-Papst" ankündigte. Bei 47 Proben von 48 Patienten lasse sich mit "extrem hoher Wahrscheinlichkeit" eine gemeinsame Quelle der Infektion feststellen. Und das Bindeglied ist der Angeklagte.

Prozess um Hepatitis-Skandal: In den meisten Fällen hat die Krankheit milde Verläufe

Wie geht es einem Menschen, der Hepatitis hat? Beide Gutachter sprachen von "in den meisten Fällen milden Verläufen". Ackermann schilderte bei 75 Prozent grippeähnliche Symptome, manchmal auch gar keine. Bei 25 Prozent gebe es Gelbsucht, erhöhte Leberwerte, dunklen Urin und anderes mehr. Aber auch Folgeerkrankungen seien möglich, darunter Diabetes, Schilddrüsen- und Gefäßprobleme, Herzinfarkt, Schlaganfall, Leberzirrhose, Depression, dermatologische Erkrankungen und mehr. "Dieses ganze Potpourri ist in den vorliegenden Fällen erfüllt", so der Sachverständige. 

Sein Kollege Timm erklärte, dass Hepatitis vor allem die Leber betreffe. "Dort kann es zu Entzündungen kommen, die über die Jahre auch Folgeschäden verursachen können, im schlimmsten Fall Leberzirrhose." Auch das Risiko von Leberkrebs sei dann erhöht. "Viele aber leben über Jahre damit ohne schwere Folgen."

Beide Experten sind sich einig, dass es bei der Behandlung von Hepatitis hervorragende Heilungschancen gibt. Sie gaben diese mit 95 beziehungsweise 98/99 Prozent an. Und selbst für die wenigen restlichen Erkrankten geben es Weiterbehandlungsmöglichkeiten, mit denen man nahezu alle kurieren könne. 15 bis 40 Prozent aller Erkrankten heilen sogar spontan. 

Der Prozess wird am Mittwoch um 9 Uhr fortgesetzt. Dann sind frühere Kollegen des Angeklagten als Zeugen geladen.

 
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