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Nachlässigkeiten
Rechtslücken beim Bürgergeld: Darauf müssen Betroffene achten
Das neue Bürgergeld-Gesetz regelt seit Anfang 2023 die Grundsicherung. Bei der Konzeption lief jedoch nicht alles glatt: Es gibt die eine oder andere Rechtslücke.
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Foto: Carsten Koall, dpa (Symbolbild) | Bundesagentur für Arbeit: Bei der Bürgergeld-Reform schlichen sich Nachlässigkeiten ein.
Patrick Freiwah
 |  aktualisiert: 11.03.2024 11:59 Uhr

Seit dem Jahreswechsel gilt in Deutschland das neue Bürgergeld-Gesetz. Die Reform regelt für Anspruchsberechtigte die Grundsicherung des Lebensunterhalts. Festgeschnürt wurde die nun geltende Regelung im Sozialgesetzbuch II (SGB II). Im November 2022 brachte die Bundesregierung zusammen mit der Union die neuen Bestimmungen für die Zeit nach Hartz IV auf den Weg. Hierbei sind dem zuständigen Ministerium für Arbeit und Soziales jedoch Nachlässigkeiten passiert, die zu Kritik führten.

Sozialvereinigungen wie der Sozialhilfeverein Tacheles e.V oder das Portal gegen-hartz.de berichten über Rechtslücken, die bei der Umsetzung des Bürgergeld-Gesetzes geschahen. Letztere bezeichneten das groß angekündigte, aber auch umstrittene Projekt der Ampelkoalition gar als "Hauruckverfahren". Hauptauslöser sei die Tatsache gewesen, dass die Abkehr von ALG II hin zum Bürgergeld in zwei aufeinanderfolgenden Schritten geplant ist.

So gibt es im Zuge der für 1. Januar 2023 umgesetzten Reform drei Rechtslücken, die Unklarheiten beziehungsweise Probleme verursachen.

Rechtslücken beim Bürgergeld: Schonvermögen

Punkt 1: Wie gegen-hartz.de im Februar schilderte, ist das Schonvermögen von jungen Menschen (bis 24 Jahre) von einer fehlenden Regelung betroffen. Es geht um Geldgeschenke (beispielsweise im Rahmen einer Konfirmation oder Kommunion) bis zu einer Höhe von 3100 Euro, auf die keine Anrechnung zur Grundsicherung festgelegt ist. In der seit Januar gültigen Bürgergeld-Gesetzgebung (Paragraph 1, Abs. 1, Nr. 12) werde demnach auf eine vormalige Regelung des SGB II hingewiesen, die aber gar nicht mehr existiert. Der Fauxpas könne dazu führen, dass Betroffene schon unterhalb dieser Grenze Minderungen der Sozialleistung hinnehmen müssen.

Was Betroffene jedoch wissen müssen: Für die Zeit bis zum 30. Juni 2023, wenn Stufe Zwei der Bürgergeld-Reform in Kraft tritt, wurde mittlerweile eine Übergangsregelung eingebaut. Der Passus beinhaltet nun: “Geldgeschenke an Minderjährige anlässlich der Firmung, Kommunion, Konfirmation oder vergleichbarer religiöser Feste sowie anlässlich der Jugendweihe, soweit sie den Betrag von 3.100 Euro nicht überschreiten..”.

Rechtslücken beim Bürgergeld: Ferienjobs

Ähnlich war die Lage bei Einkommen für Ferienjobs. Wenn Schüler und Schülerinnen Hartz IV bezogen, konnten sie jährlich 2.400 Euro für sich behalten, ohne dass es zu Abzügen bei der Sozialleistung kam. Mit Einführung des Bürgergeldes entfiel diese Regelung, schildert Hartz4widerspruch.de. Dabei kam es zu der Sachlage, dass wie sonst üblich auch bei Ferienjobs lediglich ein Freibetrag von 100 Euro im Monat gilt. Zwischen 100 und 1000 Euro würden 20 Prozent anrechnungsfrei verbleiben, oberhalb von 1000 Euro sogar nur 10 Prozent. Mit der Umstellung ab 1. Juli wird dies hinfällig, es gibt bei Ferienjobs für Schüler dann keine Obergrenze mehr. Für die Zeit bis dahin wurde die fehlerhafte Bestimmung vom Gesetzgeber (in Paragraph 1 Abs. 1 Nr. 16) angepasst, wie das Ministerium für Arbeit und Soziales unserer Redaktion bestätigt - "mit Rückwirkung zum 1. Januar": Somit können Schülerinnen und Schüler bis zur Vollendung des 25. Lebensjahres wie vormals bis 2400 Euro hinzuverdienen, ohne Abzüge beim Bürgergeld (der Eltern) zu fürchten.

Im Zuge dessen wurde im April auch ein Rechtsfehler bezüglich Jugend- oder Bundesfreiwilligendienst behoben.

Rechtslücken beim Bürgergeld: Postalische Erreichbarkeit

Ein Problem bei der Bürgergeld-Reform war auch das Streichen eines Abschnitts aus dem SGB II (Paragraph 77 Abs. 1), wie unter anderem der Verein Tacheles e.V. feststellte: Dieser enthielt den Passus, dass Hartz-IV-Empfänger eine feste Postanschrift haben mussten. Seit der Umstellung am 1. Januar ist das nicht mehr der Fall. Das ist besonders für Menschen ohne festen Wohnsitz (z. B. Obdachlose) von Bedeutung: Personen haben nämlich trotzdem Anspruch auf Bürgergeld, auch wenn keine postalische Adresse vorliegt, zitiert Merkur den Sozialrechtsexperten Harald Thomé. Jedoch darf die Post des Jobcenters nach wie vor nicht ignoriert werden, aufgrund der Mitwirkungspflicht. Das gilt eben auch dann, wenn es Probleme beim Empfang der Post gibt. Andernfalls drohen Bürgergeld-Sanktionen, wenn Termine verpasst werden. Bis zur neuen Regelung im Juli 2023 bleibe es "bei der bisherigen Verwaltungspraxis", so die Antwort des Ministeriums auf Nachfrage unserer Redaktion.

Mit dem Bürgergeld soll nicht nur die soziale Absicherung verstärkt werden. Es soll auch Bürokratie abgebaut werden. So kann man die Leistung beantragen.

 
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