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Ingolstadt
In Ingolstadt kann ein blinder Karlshulder seine Fußball-Leidenschaft ausleben
Seit über einem Jahr trainiert Jan Adrian mit dem Blinden-Team des FC Ingolstadt. Bald könnten sie die erste bayerische Mannschaft in der Bundesliga sein.
Tabea Huser
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:27 Uhr

Bälle fliegen über den Platz und scheppern gegen die Torpfosten. Die Flutlichtanlage erhellt das Trainingsgelände des FC Ingolstadt, das gleich neben dem Stadion der Schanzer liegt. Während dutzende Jugendspieler über den großen Rasen der Anlage joggen, trainieren auf dem kleinen Platz nebenan vier junge Männer konzentriert ihre Torschüsse.

Die Spieler tragen blickdichte Brillen und die Bälle rasseln. Alle Fußballer auf dem kleinen Platz sind blind oder stark sehbehindert. Sie sind das Blindenfußballteam des FCI. Bald wollen sie die erste bayerische Mannschaft in der Blindenfußball-Bundesliga sein.

Jan Adrian aus Karlshuld ist der Kapitän der Truppe. Fußball hat er schon immer gerne gespielt oder geschaut, erzählt er. Während der Schulzeit reichten seine zehn Prozent Sehkraft noch aus, um mit den Kumpels kicken zu können. "Das ist jetzt auch nicht viel, aber für mich war es viel", sagt der 24-Jährige. Doch je älter er wurde, desto mehr nahm seine Sehkraft ab. Er recherchierte nach einem neuen Sport und fand Blindenfußball. Ein Team in seiner Nähe gab es aber nicht. Der Fußballbegeisterte setzte sich kurzerhand an den PC und schrieb eine E-Mail an die Schanzer mit der Frage, ob sie ein Blinden-Team haben oder Interesse hätte eins zu gründen. Die Schanzer zeigten sich offen, es kam zu Gesprächen zwischen dem Verein und dem Mann aus Karlshuld. "Die fanden es cool", sagt Adrian. Für das erste Training im Sommer 2021 suchte Adrian ein paar Leute aus seinem Freundeskreis und aus der ehemaligen Schule zusammen. 

Zweimal in der Woche trainieren die Blindenfußballer des FC Ingolstadt

Seither hört man zweimal in der Woche die rasselnden Bälle und das Spanische "voy" (zu deutsch: "ich komme") über den Platz schallen. Die Spieler rufen das Wort, wenn sie aufeinander zugehen. Kommunikation ist beim Blindenfußball das A und O. Wenn der Ball still liegt, hört man ihn nicht. Neben den vier Feldspielern gibt es einen sehenden Torwart, den Trainer draußen an der Seite und einen Guide hinter dem gegnerischen Tor. Der Guide gibt die Richtung und die Entfernung zum Tor an. "Acht, sieben, sechs – steil links", rufen sie den Spielern zu. Alle Sehenden geben Kommandos und helfen so den Spielern mit der Orientierung.

Jan Adrian ist selbstkritisch. Er kennt sich in seinem Sport gut aus und weiß um das Potenzial des Teams. "Die Kommunikation, da sind wir gerade dabei, uns zu verbessern und von anderen zu lernen", erzählt er, "untereinander müssen wir uns verständigen können. Da geht es dann darum, dass, wenn du den Ball verlierst, das auch den Spielern mitteilst."

Um all das und die Entwicklung der Mannschaft kümmern sich drei Trainer. Jans Vater, Peter Adrian, ist von Anfang an dabei. Er fährt seinen Sohn zum Training, sammelt andere bei Bedarf auf dem Weg ein. Zweimal die Woche, jeden Mittwoch und jeden Samstag. Der FC Ingolstadt engagierte im Winter 2021 weitere Trainer für das Team. Georg Pegelhoff und Michael Stadik aus dem Ingolstädter Raum begeisterten sich für die Aufgabe, auch wenn beide davor noch nie Blindenfußball trainiert hatten. "Das sind zwei, die mit Herzblut dabei sind", hebt Jan Adrian hervor. Das macht sich auch beim Training bemerkbar. Die drei Trainer sind hellwach, sie geben Kommandos und leiten die Spieler mit Kommandos über das Feld. Wenn Sehende blind Fußball spielen, merken sie erst, wie schwer es ist, sich zu orientieren. Den meisten wird nach ein paar Minuten schlecht, wie Stadik erklärt.

Durch das Training im vergangenen Jahr haben die Spieler "riesige Fortschritte" gemacht, sagt Peter Adrian. Die Schüsse und die Ballführung klappen laut dem Trainer schon gut. Jetzt fehlt dem Team vor allem eins: Spielpraxis. "Wir wollen nicht nur jede Woche trainieren, wir wollen auch zeigen, dass wir mit anderen mithalten können", sagt Jan Adrian. Das große Ziel ist die Anmeldung für die Bundesliga Ende Januar. Acht Spieler, die nötige Zahl für die Lizenz, haben sie nun auf dem Zettel stehen. 

Blinden-Team will erste bayerische Mannschaft in der Bundesliga sein

Letztes Jahr bestritten die Ingolstädter ihr erstes Freundschaftsturnier in Straßburg. Die Turnierspiele im Elsass waren die ersten Partien gegen andere Mannschaften überhaupt. "Es hat richtig Spaß gemacht", erinnert sich der Kapitän. Die Jungs seien aber von der Körperlichkeit des Spiels überrascht gewesen. An den Banden habe es regelrechte Ringkämpfe gegeben, sagt der 24-Jährige. Durch die Umrandung an der Seite geht kein Ball ins Aus. Sie werden auch taktisch für Spielzüge genutzt. Zusammenstöße an der Seite sind da nicht unwahrscheinlich. Einen obligatorischen Kopfschutz tragen die Spieler auch während des Trainings. "Ich vergleiche es manchmal mit Rugby", sagt Spieler Elias lachend, als sie über ihre Erlebnisse in Straßburg sprechen. Verletzt hätten sie sich beim Blindenfußball noch nicht. Die Sportart ermöglicht es ihnen, sich frei zu bewegen. "Selbst rumrennen kann man", sagt Jan Adrian. Im Alltag ist das für Blinde und Sehbehinderte meist zu gefährlich. 

Wenn die Blindenfußballer vom FC Ingolstadt die Lizenz für die Bundesliga bekommen, dann fahren sie ab April zu Spieltagen in ganz Deutschland. Viele Teams der Liga kommen aus Nordrhein-Westfalen. Stark ist auch das Team vom FC St. Pauli, wie Adrian erzählt. Das Ziel der Blinden-Mannschaft ist es, in der Bundesliga Spaß zu haben und das eigene Team zu stabilisieren. Der Kapitän hofft, dass das Vorhaben "keine Eintags- oder Einjahresfliege" sei. Mehr Spieler für die Mannschaft wünschen sie sich. 

Blindenfußball wird in gemischten Teams gespielt. Frauen seien auch willkommen, wiederholen Spieler und Trainer. Alle ab 13 Jahren bis ins hohe Alter können mitspielen. Die Feldspieler dürfen nicht mehr als 30 Prozent Sehkraft haben. Sehende können als Torwart und Guide teilnehmen. Wer Intersse an dem Sport hat, kann sich unter Blindenfussball@fcingolstadt.de melden. 

 
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