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Mering
Zoff zwischen Lokführer und Stellwerk: Go-Ahead-Zug bleibt stehen
600 Fahrgäste eines Zugs müssen eineinhalb Stunden bei Mering ausharren. Notfallmanager müssen die Situation lösen. Eine Passagierin erleidet eine Panikattacke.
Symbolfoto Bahn Pendler / Pendlerinnen.jpeg       -  Ein Zug von Go-Ahead (hier ein Symbolbild) stand am Montag eineinhalb Stunden auf freier Strecke bei Mering, weil es Unklarheiten zur Weiterfahrt zwischen Stellwerk und Lokführer gab.
Foto: Marcus Merk (Symbolbild) | Ein Zug von Go-Ahead (hier ein Symbolbild) stand am Montag eineinhalb Stunden auf freier Strecke bei Mering, weil es Unklarheiten zur Weiterfahrt zwischen Stellwerk und Lokführer gab.
Stefan Krog, Eva Weizenegger
 |  aktualisiert: 11.03.2024 12:03 Uhr

Ein Pendlerzug aus München nach Augsburg hat am Montagnachmittag ungefähr eineinhalb Stunden auf freier Strecke kurz vor Mering (Kreis Aichach-Friedberg) gestanden, nachdem der Triebfahrzeugführer von Go-Ahead und der Fahrdienstleiter der DB Netz Meinungsverschiedenheiten zum Vorgehen nach einem Stopp hatten. Dies sorgte letztlich dafür, dass der Zug nicht weiterfuhr. Die Situation ließ sich am Schluss nur lösen, indem Notfallmanager von Go-Ahead und DB Netz zum Zug eilten und die Situation dort klärten. Auch die Bundespolizei kam zur Bahnstrecke, nachdem mehrere Fahrgäste aus dem mit 600 Personen besetzten Zug den Notruf wählten. Eine Passagierin erlitt eine Panikattacke und musste vom Rettungsdienst versorgt werden. Go-Ahead und DB erklärten, dass der Vorfall aktuell untersucht werde. 

Das Drama begann offenbar kurz vor 16 Uhr, nachdem der mit nach Hause fahrenden München-Pendlern gut besetzte Zug aus noch ungeklärter Ursache auf freier Strecke hielt. Wie Fahrgäste berichten, meldete sich der Lokführer über Lautsprecher mit der Ansage, dass es "Diskussionen zum Betriebsablauf" gebe. Nach ersten Erkenntnissen der Bundespolizei macht der Lokführer geltend, laut Dienstanweisung ein bestimmtes Kommando des Stellwerks zu benötigen, um nach einem Halt auf freier Strecke weiterfahren zu können. Dem Fahrdienstleiter sei dieser Befehl aber in dieser Situation nicht bekannt gewesen, darum habe er ihn auch nicht gegeben, so die Bundespolizei. Daraufhin sah der Lokführer sich nicht in der Lage, den Zug weiterzufahren, und blieb stehen.

Zug bleibt bei Mering stehen: Eine Frau schrie: "Ich will hier raus"

20 Minuten nach der ersten Durchsage, berichtet Fahrgast Knut Sobotta, sei dann eine weitere Durchsage erfolgt: Der Zug fahre "auf unbestimmte Zeit nicht mehr weiter", weil sich "einige Personen falsch verhalten". Das sorgte wohl für gewisse Ratlosigkeit und Beunruhigung bei den Fahrgästen. "Das, was ich am Montag erlebt habe, habe ich in 20 Jahren Pendeln noch nicht aushalten müssen", schildert Sobotta, der in Gessertshausen (Kreis Augsburg) lebt. "Es wurde immer wärmer, zudem funktionierten die Toiletten nicht", so Sobotta. Letzteres sei man bei Go-Ahead gewöhnt, in der Situation sei das aber zum echten Problem geworden. Eine Frau habe eine Panikattacke erlitten. Zusammen mit einer Krankenschwester kümmerte sich Sobotta um die Passagierin. Die Frau habe sich an einen ihr fremden Mann geklammert und geschrien: "Ich will hier raus." 

Auch andere Fahrgäste berichten von allgemeiner Beunruhigung – wenn Triebwarenführer und Fahrdienstleiter, die beide für die Sicherheit verantwortlich sind, unterschiedliche Sichtweisen haben und sich offenbar zoffen, mache man sich Gedanken, so Sandra Hartmann aus Augsburg. Alle Fahrgäste hätten mitbekommen, dass es Unstimmigkeiten gibt. "Ein Streit zwischen Go-Ahead und der DB auf dem Rücken der Fahrgäste! Das war wirklich unwürdig", so Hartmann. Sobotta will nun Anzeige erstatten. Die Bundespolizei sagt, bisher ermittle man in der Angelegenheit nicht wegen des Verdachts auf eine Straftat. 

Während des Zwangsstopps überholten mehrere Regionalzüge den stehenden Zug. Als der Zug sich gegen 17.30 Uhr dann – wohl auf Anweisung des Go-Ahead-Notfallmanagers – doch in Gang setzte, fuhr er bis Mering, wo alle Fahrgäste aussteigen mussten und von dort aus mit dem nächsten Zug Richtung Mering-St. Afra und Augsburg weiterfuhren. 

Go-Ahead-Panne: Befragung der Beteiligten läuft

Go-Ahead und DBäußerten sich am Dienstag noch nicht inhaltlich zu dem Vorfall. Es müssten noch Fahrzeugdaten ausgewertet bzw. die Beteiligten befragt werden. Solange könne man sich noch nicht detailliert äußern, erklärten beide Unternehmen unabhängig voneinander. Wo der Fehler am Ende wirklich lag und ob sich die jeweiligen Dienstanweisungen widersprechen oder sie womöglich falsch ausgelegt wurden, blieb damit noch unklar. Wie sicherheitsrelevant der Vorfall war, ist ebenfalls ungewiss. 

DB-Netz betreibt in Deutschland die Bahninfrastruktur mit Gleisen und Stellwerken. Der Fahrbetrieb wird inzwischen von mehreren Unternehmen abgewickelt. Im regionalen Nahverkehr rund um Augsburg sind das vor allem Go-Ahead und die Bayerische Regiobahn, nachdem DB Regio mehrere Ausschreibungen des Freistaats verloren hat und nur noch einige ausgewählte Verbindungen betreibt. Go-Ahead ist seit Dezember auf den Strecken Richtung München, Dinkelscherben sowie Donauwörth aktiv. Das Unternehmen war aufgrund des branchenweiten Personalmangels und wenig wechselwilligem Personal vom Vorgänger DB Regio dazu gezwungen, in kurzer Zeit viel neues Personal auszubilden. Die Suche nach geeigneten Bewerbern, die allen Anforderungen gewachsen sind, gestaltet sich dabei allerdings nicht einfach. Lokführermangel und technische Schwierigkeiten überschatteten den Betriebsstart im Dezember. Zuletzt lag die Pünktlichkeit aber wieder auf dem Niveau der DB Regio, die den Fugger-Express als Vorläufersystem mehr als zehn Jahre betrieb

 
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