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Augsburg, Gersthofen
Warum das Hotel am Augsburger Stadtrand doch keine Asylunterkunft wird
Aufgrund von Unstimmigkeiten mit dem Besitzer lässt der Landkreis seine Pläne für eine Asylunterkunft fallen. Wo die Geflüchteten stattdessen unterkommen sollen.
Select Hotel, Neubau, im GVZ Augsburg.jpeg       -  Das Select-Hotel im Augsburger Güterverkehrszentrum bleibt ein Hotel. Der Landkreis zog seine Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft zurück.
Foto: Silvio Wyszengrad | Das Select-Hotel im Augsburger Güterverkehrszentrum bleibt ein Hotel. Der Landkreis zog seine Pläne für eine Flüchtlingsunterkunft zurück.
Jan Kandzora
 |  aktualisiert: 11.03.2024 10:28 Uhr

Das Select-Hotel im Güterverkehrszentrum Augsburg, das auf Gersthofer Flur steht, wird doch keine Unterkunft für Flüchtlinge. Ursprünglich hatte das Landratsamt vor, bis zu 440 männliche Asylbewerber in dem Gebäudekomplex unterzubringen, der erst im vergangenen Oktober eröffnet worden war. Daraus wird nun nichts. Wie die Behörde am Mittwochnachmittag mitteilte, lasse man die Pläne fallen. Als Grund nannte das Landratsamt, dass der Vertragspartner, die Hotelkette Novum Hospitality, "Konflikte mit dem Eigentümer nicht ausräumen und damit die Überlassung nicht sicherstellen" könne. Eigentümer der Immobilie ist ein Geschäftsmann aus dem Iran; die Hotelkette hat das Gebäude von einer seiner Firmen gepachtet.

Geplante Asylunterkunft: Anwalt spricht von "rechtswidrig geschaffenen Verhältnissen"

Der Entscheidung des Landratsamtes vorausgegangen war ein Konflikt zwischen dem Eigentümer und den Betreibern des Hotels. So hatte der Geschäftsmann aus dem Iran über seine Firma "Hotel GVZ Augsburg Projekt GmbH & Co. KG" der Hotelkette den Mietvertrag gekündigt. Hilmar Pickartz aus Augsburg, einer der Anwälte des Mannes, sprach gegenüber unserer Redaktion von "rechtswidrig geschaffenen Verhältnissen". Von der angedachten "Weitervermietung des Betreibers" habe man nur durch Zufall erfahren, sein Mandant sei weder vom Hotel noch vom Landratsamt vorab informiert worden. Wegen des "gravierenden Verstoßes" sei der Pachtvertrag gekündigt worden. Das mit einem Aufwand von etwa 37 Millionen Euro errichtete Gebäude, bei dem rund vier Millionen Euro allein für die Inneneinrichtung investiert worden seien, würde durch die geplante "Zweckentfremdung" als Asylunterkunft "nachhaltig in seiner Werthaltigkeit extrem gefährdet". 

Von einem Sprecher von Novum Hospitality hieß es noch am Mittwochmittag, der "Beherbergungsvertrag" mit dem Landratsamt könne erfüllt werden. Man erachte die Kündigung seitens des Eigentümers als unwirksam, man habe ihr ausdrücklich widersprochen, das Mietverhältnis bestehe fort. Eine vorläufige Einschätzung, die dem Landratsamt offenkundig zu unsicher war. Die Hotelkette habe die Behörde auch am Mittwoch informiert, dass sie nicht mehr verbindlich zusichern könne, "dass aufgrund der bestehenden Differenzen mit dem Grundstückseigentümer der mit uns geschlossene Beherbergungsvertrag für die Laufzeit von sechs Monaten konfliktfrei realisiert wird", sagt Landrat Martin Sailer (CSU). Unabhängig von der rechtlichen Bewertung der Angelegenheit könne und werde man das Hotel unter diesen Voraussetzungen nicht belegen.

Flüchtlinge im Hotel bei Augsburg: Es ging um viel Geld

Bei der geplanten Asylunterkunft ging es auch um viel Geld, was nach Darstellung des Landratsamtes für weitere Querelen sorgte. Nach Angaben von Landrat Sailer habe der Eigentümer den bestehenden Vertrag gerne selbst übernehmen wollen– "allerdings mit einer Vertragslaufzeit von über einem Jahr und damit deutlich länger als mit unserem bisherigen Vertragspartner vereinbart". Überdies sei sogar angeboten worden, dass der Eigentümer 1000 weitere Plätze auf seinem Grundstück hinter dem Hotel schaffen könne. Es sei in dem Konflikt also nicht darum gegangen, dass keine Geflüchteten in dem Hotel untergebracht werden sollen. "Der Grundstückseigentümer wollte schlicht einfach selbst finanziell davon profitieren und hat sich deshalb dem Beherbergungsvertrag zwischen dem Landkreis Augsburg und Novum Hospitality entgegengestellt", sagt Sailer. Zuständig für den Kontakt zwischen Eigentümer und Landratsamt war nach Informationen unserer Redaktion eine Kanzlei aus Düsseldorf.

Offen ist nun zum einen, wie es mit dem Hotel weitergeht: Dort sollten eigentlich Ende der Woche Umbauarbeiten starten, um aus dem Gebäude eine Flüchtlingsunterkunft zu machen, Reservierungen über den 24. September hinaus wurden zuletzt nicht mehr entgegengenommen. Zwar haben Novum Hospitality und der Eigentümer eigentlich einen Vertrag miteinander, doch um den gibt es ja nach Kündigung und Widerspruch dagegen Unklarheiten. 

Offen ist vor allem aber auch, wo jetzt die Flüchtlinge unterkommen, die dem Landkreis zugewiesen werden. Nach Angaben des Landratsamtes hätte sich der Kreis durch die Belegung des Hotels in Gersthofen "bis Ende des Jahres Luft zum Atmen in Sachen Flüchtlingsunterbringung verschafft". Ohne die neue Unterkunft stehe man "mit dem Rücken zur Wand", ausreichende Unterbringungsplätze seien keine mehr im Landkreis verfügbar. Die für die kommende Woche angekündigten 66 Geflüchteten sollen zunächst in der Notunterkunft des Landkreises im ehemaligen Impfzentrum in Gablingen-Siedlung unterkommen. Danach stehe derzeit nur noch das Schullandheim in Dinkelscherben zur Verfügung, bevor man über die Schließung von Schulturnhallen sprechen müsse, so die Behörde. Landrat Sailer betont, er hoffe deshalb, dass die Regierung von Schwaben bei ihrer Zuweisung das nicht vorhandene Platzkontingent des Landkreises berücksichtige.

 
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