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Augsburg
Tierversuche in Augsburg: Die Maus sitzt im Stoffwechsel-Käfig
Die Augsburger Unimedizin startet mit Tierversuchen und öffnet dazu ihr neues Labor. Die Forscher sprechen von unverzichtbaren Experimenten, Gegner protestieren.
Universitätsmedizin Augsburg       -  Tierversuche an der Uni Augsburg sind etwa in diesem Stoffwechselkäfig (vorne links) möglich.
Foto: Silvio Wyszengrad | Tierversuche an der Uni Augsburg sind etwa in diesem Stoffwechselkäfig (vorne links) möglich.
Eva Maria Knab
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:03 Uhr

Es ist wie in einem Hochsicherheitstrakt. Zugang gibt es nur mit Schutzanzügen durch eine ansonsten verschlossene Türe und eine Schleuse. Drinnen sieht man in einem Raum kleine durchsichtige Kunststoffboxen mit Futter, Nistmaterial und Nagehölzern aufgereiht. Daneben stehen weitere Käfige für Versuche und ein winziger Operationstisch. 

Drinnen im Forschungsgebäude ist alles vorbereitet, wenn demnächst Labormäuse in die neue Tierversuchshaltung der Universität Augsburg einziehen. Draußen formiert sich Protest. Denn mit dem Einstieg in Tierversuche wird in der Augsburger Forschungslandschaft ein neues Kapitel aufgeschlagen. Eines, das für viele Debatten sorgt.

In angemieteten Räumen im Stadtteil Haunstetten sind nun die ersten Lebenswissenschaftlichen Forschungsflächen der Universität fertiggestellt. "Es sind wichtige Flächen für unsere Forscher, sie können jetzt richtig loslegen", sagt Professorin Martina Kadmon, Dekanin der vor rund sechs Jahren gegründeten Augsburger Medizinfakultät. Ein großes Thema ist die biomedizinische Grundlagenforschung. Dort arbeiten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unter anderem mit Tierversuchen. Im Sigma-Park ist Platz für 900 Käfige. Darin können bis zu rund 2400 Mäuse und 400 Ratten gehalten werden.

Forschung an der Uni Augsburg: Diese Tierversuche sind möglich

Tierversuche polarisieren, sie sind in vielen deutschen Forschungseinrichtungen aber gängige Praxis. Allein im Jahr 2021 wurden bundesweit rund 2,5 Millionen Tiere zu wissenschaftlichen Zwecken "verbraucht". Die weitaus meisten Versuchstiere waren Mäuse, gefolgt von Ratten und Fischen. Welche Experimente in Augsburg möglich sind, erklärt Professor Volker Eulenburg an Beispielen. In einem durchsichtigen Behälter, einem sogenannten Stoffwechselkäfig, wird ein bis zwei Tage eine Maus gehalten. Die Wissenschaftler beobachten, wie viel sie trinkt und frisst, und untersuchen ihre Ausscheidungen. Nebenan steht eine Kiste für Untersuchungen zum "Erkundungsverhalten". Dort wird gefilmt und gemessen, wie sich Mäuse mit erhöhten Blutfettwerten in der Box, die mit kleinen Objekten ausgestattet ist, verhalten. Dabei geht es etwa um die Frage, wie aktiv die Tiere sind und wie gut ihr Gedächtnis ist. 

Verbunden mit Experimenten ist immer auch die Frage, ob die Tiere leiden müssen. "Die Nutzung von Tieren in der Forschung zählt in Deutschland zu den am strengsten regulierten Bereichen", erklärt dazu Fachtierarzt Heinz Brandstetter im Augsburger Labor. Bevor ein Tierversuch startet, müssen das Ziel, die Belastung für die Tiere und auch die ethische Begründung genau erläutert werden. 

Laut Professor Volker Eulenburg ist die überwiegende Zahl der Versuche "nicht invasiv". Vielfach müssen passende Zell- und Gewebeproben für Untersuchungen gewonnen werden. Nur bei etwa zehn Prozent der Tierversuche seien operative Eingriffe nötig. Dafür gibt es im Labor einen komplett ausgestatteten Mini-OP-Tisch mit Narkose und Überwachungsgeräten. Alle Versuche seien darauf ausgerichtet, Belastungen oder Schmerzen für die Tiere so gering wie nur möglich zu halten, betonen die Augsburger Medizinwissenschaftler. Tierversuche würden auch nur dann vorgenommen und genehmigt, wenn kein anderes Verfahren möglich sei. 

Gegner der Tierversuche vermissen Lehrstuhl für tierversuchsfreie Methoden

Vor dem Forschungsgebäude formiert sich am Dienstag Protest. Rosmarie Lautenbacher von der bundesweiten Organisation Ärzte gegen Tierversuche spricht von "sinnlosen und unethischen Forschungsmethoden". Mehr als 90 Prozent der Medikamente, die alle Tierversuche erfolgreich durchliefen, würden später während der klinischen Studien an Menschen aussortiert. Lautenbacher verweist darauf, dass voraussichtlich auch in Augsburg Experimente an Mäusen laufen werden, die mit erheblichem Tierleid verbunden seien. Es gehe um Hirnblutungen durch Injektionen ins Gehirn oder um Herzinfarkt durch dauerhaftes Abbinden einer Herzkranzarterie. Lautenbacher kritisiert zudem, dass in Augsburg als einer der modernsten Medizinfakultäten Deutschlands kein Lehrstuhl für tierversuchsfreie Methoden plane. 

An der Augsburger Medizinfakultät hält man Tierversuche "auf absehbare Zeit" unverzichtbar für die Forschung. Sie seien auch nur ein kleiner Bereich im breiten Forschungsspektrum am Institut für Theoretische Medizin. Gerechnet wird mit etwa zehn Tierversuchsvorhaben in den kommenden fünf Jahren. Professor Marco Koch erklärt, wie wichtig Grundlagenforschung generell für den medizinischen Fortschritt ist. "Allein an Volkskrankheiten im Bereich Herzkreislauf, Atemwege, Diabetes und Krebs sterben jährlich bis zu 40 Millionen Menschen weltweit." Augsburger Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler forschen vor allem im Bereich Immun-, Nerven- und Kreislaufsystem sowie zum Energiestoffwechsel – etwa im Zusammenhang mit Umwelteinflüssen. "Wir wollen die Gründe verstehen und neue Therapien ermöglichen", so Koch. Dazu gebe es einen engen Austausch mit der klinischen Praxis. 

 
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