Noch ist der Augsburger Hauptbahnhof eine Großbaustelle. Die Eingangshalle ist gesperrt, im Untergrund werkeln Bauarbeiter an einem massiven Tunnel für Straßenbahnen; wer an den Gleisen wartet, hört Gehämmer und Bohrgeräusche. Ein Ort, an dem viele Menschen einander begegnen, ist der Bahnhof dennoch – und auch ein Ort, an dem viele Menschen Straftaten begehen. Wer sich mit Beamten der Bundespolizei unterhält, die hier arbeiten, kann so einige Geschichten hören.
Da sind Dealer, die in Zügen sitzen, mit mehreren Kilogramm Drogen im Gepäck, als wäre nichts dabei. Da ist der verwirrte Mann, der während der Fahrt alle Getränke des Bordbistros an sich nahm, randalierte und sechsmal die Notbremse betätigte. Da sind Diebe, die Wartenden am Gleis unauffällig die Portemonnaies aus den Taschen ziehen, da sind Sprayer und Betrunkene. Rund 200 Straftaten notieren die Bundespolizisten jährlich, die direkt im Bereich des Bahnhofes begangen werden – also nicht in den Zügen auf der Strecke oder im Umfeld des Gebäudes. Es ist eine Zahl, die in den vergangenen Jahren recht konstant blieb, wie Pressesprecher Bernhard Turba erläutert. Woran auch bauliche Veränderungen am Gebäude und die Corona-Zeit offenbar wenig änderten. 2020 und 2021, den Jahren der Pandemie mit den härtesten Einschränkungen des öffentlichen Lebens, erfassten die Beamten der Bundespolizei am Hauptbahnhof in Augsburg sogar mehr Straftaten als im vergangenen Jahr, als es nur noch vergleichsweise geringe Corona-Maßnahmen gab. Ein Umstand, der überraschen kann.
Hauptbahnhof in Augsburg: Graffiti, Taschendiebstähle, Drogendelikte
Wie ein genauer Blick auf die Daten zeigt, ging die Zahl der Betäubungsmitteldelikte am Bahnhof deutlich zurück, von 97 im Jahr 2020 auf 44 im vergangenen Jahr. Verstöße gegen das Aufenthaltsgesetz nahmen hingegen zu, von 19 im Jahr 2019 auf 57 2022, die Zahl der erfassten Körperverletzungsdelikte, im vergangenen Jahr 23, veränderte sich in jüngerer Vergangenheit kaum. Wolfgang Stolz vom Bundespolizeirevier in Augsburg sagt, sein subjektiver Eindruck sei es, dass die bestehende Baustelle am Hauptbahnhof das Aufkommen für die Beamten entlaste, da es derzeit kaum Fläche gebe, an denen sich Passagiere abseits der Gleise aufhalten könnten. Der Polizeihauptkommissar geht davon aus, dass sich die Entwicklung künftig ändern könnte, sobald die Bauarbeiten einmal fertig sind, was im Gebäude selbst im kommenden Jahr der Fall sein soll.
Was auch heißt, dass es dann möglicherweise steigende Fallzahlen gibt. Die Stadtwerke hatten bereits im vergangenen Jahr Befürchtungen widersprochen, der geplante Bahnhofstunnel könnte sich zu einer Art "Angstzone" entwickeln. Das Thema Sicherheit und subjektives Sicherheitsempfinden werde nach neuesten Erkenntnissen geplant, hieß es. Ein Sprecher der Bahn sagte damals, neben der Präsenz von Sicherheitspersonal und Polizei seien auch Kameras eine wichtige Säule des Sicherheitskonzepts.
Andere Bahnhöfe in Augsburg, etwa in Hochzoll und Oberhausen, spielen in Relation zum Hauptbahnhof für die Beamten der Bundespolizei kaum eine Rolle; insgesamt sind die gut 40 Polizistinnen und Polizisten des Augsburger Reviers für Bahnhöfe und Bahnanlagen in einem großen Gebiet zuständig, das sich grob im Westen bis nach Neu-Ulm, im Süden ins Ost- und Unterallgäu, im Osten hinter den Landkreis Aichach-Friedberg und im Norden bis zur fränkischen Grenze hinter Donauwörth erstreckt. Viel zu tun, selbst wenn die Lage am Augsburger Hauptbahnhof derzeit eher ruhig ist.
Zahlen der Drogendelikte in Würzburg und Nürnberg höher als in Augsburg
Wie anders es zugehen kann, zeigen Zahlen, die das bayerische Innenministerium im vergangenen Oktober auf Anfrage der AfD veröffentlicht hat. In der Antwort der Staatsregierung wurden nicht nur die Straftaten in den Bahnhöfen selbst, sondern auch jene auf den Bahnhofsvorplätzen erfasst, was in Augsburg vermutlich auch einen Teil des Helmut-Haller-Platzes in Oberhausen meint, ein Ort, an dem es zu vielen Drogendelikte kommt. In Augsburg gab es demnach zwischen 2019 und 2021 etwa 400 bis 500 Delikte in dem Bereich; ein erstaunlich geringer Wert. Selbst in Würzburg, das nicht einmal halb so viele Einwohner wie Augsburg hat, lagen die Zahlen teils höher, in Nürnberg teils mehr als dreimal so hoch.
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