
In der Diskussion über Vorfälle mit Jugendgruppen in Augsburg in den vergangenen zwei Jahren betonen Polizei und Stadt, wie wichtig eine differenzierte Betrachtungsweise ist. "Es gibt per se kein Problem mit Jugendlichen, aber man muss unterscheiden zwischen Jugendlichen, Jugendgruppen und kriminellen Jugendgruppen, die es durchaus gibt", so Mario Huber, Leiter der Verbrechensbekämpfung beim Polizeipräsidium. "Es git keine No-Go-Areas in Augsburg, aber es gibt Entwicklungen, die uns Sorge bereiten." Zuletzt diskutierten im Ordnungsausschuss des Stadtrats Experten von Stadt und Polizei mit den Ratsmitgliedern die Situation, nachdem ein offener Drogenhandel am Drei-Auen-Platz aufgeflogen war und es eine Messerstecherei im Reesepark gegeben hatte. In beiden Fällen spielte das Phänomen von Jugendgruppen, die sich nach Postleitzahlen benennen, eine Rolle.
Die Polizei geht wie berichtet von etwa 300 Jugendlichen aus, die diesen Postleitzahlengruppen zuzuordnen sind. "Vor einigen Jahren wäre man noch von weniger Jugendlichen ausgegangen, aber die Ermittlungen sorgen für ein größeres Hellfeld", so Huber. Allerdings seien bei Weitem nicht alle straffällig. Religion oder Staatsangehörigkeit spielten bei der Gruppenbildung keine Rolle. Die Herkunft aus dem Stadtviertel sei das einzige Merkmal, so Huber. Revierstreitigkeiten gebe es nicht, bei anderen Anlässen sehe man Mitglieder aus unterschiedlichen Gruppen, vorwiegend männliche Jugendliche um die 16 Jahre, auch zusammenstehen.
"Postleitzahl"-Jugendgruppen und Kriminalität in Augsburg: Das sagen Experten
Viele kämen aus schwierigen Verhältnissen, so Huber. Mit zwölf oder 13 Jahren suchten sie Anschluss an die Gruppen. "Da kommen sie mit Werten in Berührung, die sonst in der Familie vermittelt werden: Zugehörigkeit, Zuverlässigkeit, Respekt." Huber dämpfte die Aussagen einiger Stadtratsmitglieder aus dem schwarz-grünen Lager, die die Lage eher unkompliziert sahen. "Sätze wie 'Wir haben kein Problem mit Jugendlichen' würde ich in dieser Absolutheit nicht unterschreiben", so Huber. "Früher ist es nicht vorgekommen, dass 13-Jährige, wenn die Polizei von ihnen den Ausweis sehen will, sagen: 'Leck mich am A…'." Auch dass manchmal ein Messer mitgeführt wird, sei eine problematische Entwicklung. In der Gesamtschau, so Huber, seien die Jugendgruppen andererseits kein überhandnehmendes Phänomen. Der Anteil an Straftaten von Gruppenmitgliedern an allen Delikten aus der relevanten Altersgruppe sei in der Summe verschwindend gering.
Während der Corona-Pandemie waren auch verstärkt Jugendliche in Parks unterwegs, nachdem Treffpunkte wie Lokale oder Clubs geschlossen waren. Teils kam es zu Beschwerden wegen Lärm und Vermüllung, Straftaten habe man bei diesen Gruppen hingegen kaum verzeichnet, so Andreas Bleymaier, Leiter des städtischen Ordnungsdienstes. "Nutzungskonflikte gab es früher hier und da. In den vergangenen zehn Jahren sind einige Neubaugebiete entstanden, wo auch Angebote mit Parks entstanden", so Bleymaier. Auch diesen Punkt müsse man beachten.
Insgesamt seien weniger Jugendliche im öffentlichen Raum als vor Corona unterwegs. "Vielleicht treten sie jetzt hier und da geballter auf", so Bleymaier. Wenn das subjektive Sicherheitsgefühl von Anwohnern betroffen sei, schaue man öfter vorbei, so Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU). Das sei auch die Erwartung der Bevölkerung so Pintsch auf die Frage der Grünen, ob damit nicht auch eine Eskalation einhergehen könne. In der Summe habe sich das Geschehen im Nachgang zu Corona ohnehin mehr in den privaten Bereich verlagert. "Es gibt jetzt mehr Haus- und Hinterhofpartys mit Lärmbeschwerden."
Drogenhandel, Messerstecherei von Jugendlichen in Augsburg: Sie wollen bürgerliches Leben
Jugendamtsleiter Joachim Herz warb dafür, Jugendlichen auch Raum in der Stadt zu geben. Projekte wie der "Stadtgarten" der Stadtsparkasse, die im vergangenen Sommer mit Paletten und Pflanzen am Königsplatz eine große Sitz-Landschaft zusammenzimmerte, seien gut. "Das führt dazu, dass Jugendliche sich willkommen fühlen." Angebote nur am Stadtrand zu errichten, sei verkehrt. Allerdings gab es parallel zum "Stadtgarten" auch Ansammlungen von Jugendlichen in der benachbarten Wallstraße, die angesichts der Masse für Anwohner und Geschäftsleute teils störend wirkten. Herz sagte, dass Jugendliche häufig als "Störer" wahrgenommen würden. "Aber wir brauchen die Toleranz, dass die Jugend anders ist. Dazu kann es auch mal gehören, anzuecken." Herz wies darauf hin, dass Jugendliche laut Umfragen grundsätzlich eine "bürgerliche Normalbiografie" anstrebten.