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Augsburg
Ihre Arbeit wird riskanter: Wie Mitarbeiter des Ordnungsdienstes geschult werden
Mit Respektlosigkeit und Aggressivität werden die Angestellten des Augsburger Ordnungsdienstes zunehmend auf offener Straße konfrontiert. Umso wichtiger werden Schulungen.
Ordnungsdienst Augsburg       -  Die beiden Justizbeamten und Dozenten Robin Sautter und Andreas Bischoff (von links) schulen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Augsburger Ordnungsdienstes. Die Einsatzkräfte sehen sich zunehmend Aggressionen ausgesetzt.
Foto: Silvio Wyszengrad | Die beiden Justizbeamten und Dozenten Robin Sautter und Andreas Bischoff (von links) schulen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Augsburger Ordnungsdienstes.
Ina Marks
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:04 Uhr

Sie gerät in die Schrottpresse und geht sofort zu Boden. Angelika Aksoy lacht – fast ungläubig über ihre eigene Machtlosigkeit. Ihr Kollege hat soeben mit seinem Einsatzstock einen Kniff an ihren Knien angewandt, der sie blitzschnell zu Fall brachte. "Schrottpresse" heißt dieser Kniff. Er ist freilich nicht das Einzige, was die zwölf Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Ordnungsdienstes der Stadt Augsburg an diesem Tag in einer Schulsporthalle in Kriegshaber lernen. Regelmäßig werden die "Blauen", wie sie im Volksmund genannt werden, in unterschiedlichen Gruppen für ihre Einsätze in der Stadt geschult. Das Training ist auch für ihre eigene Sicherheit. Denn zuletzt haben die körperlichen Angriffe auf den Ordnungsdienst zugenommen. Angelika Aksoy wurde erst im November von einem aggressiven Fahrradfahrer verletzt.

Das Training sei sehr hilfreich, sagt Aksoy, die sich bei den Übungen in der Sporthalle zwischendurch kurz rausnimmt, um ihre rechte Hand zu lockern. Die, sagt die 35-Jährige, schmerze seit dem Vorfall in der Bahnhofstraße im November immer noch. "Ich war erst vier Wochen im Dienst, da hatte ich schon meine erste Festnahme", erzählt die Frau mit dem langen Pferdeschwanz. Ihr Kollege und sie hatten in der Bahnhofstraße einen Radfahrer angehalten, weil er auf dem Bürgersteig fuhr. Plötzlich habe er ihren Kollegen angegriffen. "Das ging alles sekundenschnell." 

Gewalt nimmt zu: Augsburger Ordnungsdienst-Mitarbeiter üben Umgang

Unter den Augen vieler Zuschauenden, die mit ihren Smartphones das Geschehen filmten, mussten sie den aggressiven 19-Jährigen bändigen und festnehmen. Als die Polizeiübernahm, wurde Aksoy in die Notaufnahme der Uniklinik gebracht. In der Schulung erhalten sie, ihre Kolleginnen und Kollegen des Ordnungsdienstes Tipps im Umgang mit den Menschen, die gegen Regeln und Gesetze verstoßen. Sie lernen, wie sie deeskalierend einwirken können, aber auch im äußersten Fall selbst zupacken müssen, wenn es darum geht, jemanden festzuhalten, bis die Polizei eintrifft. Alles unter Beachtung der Rechtsgrundlage. In der Sporthalle werden an diesem Tag viele mögliche Szenarien mit Rollenspielen geübt – unter fachmännischer Anleitung der beiden Justizbeamten Andreas Bischoff und Robin Sautter.

"Wir bereiten sie auf Stresssituationen vor", sagt der 47-jährige Bischoff, der als Dozent für Einsatztraining und Deeskalation nicht nur Ordnungsdienste, sondern auch Justizbeamte und Helfer von Rettungsdiensten schult. Eine Arbeit, die offenbar immer wichtiger wird. Seine Beobachtung, dass Menschen zunehmend den Respekt vor dem Staat und damit vor "Uniformierten" verlieren, bestätigt allein die steigende Zahl der Übergriffe auf den Augsburger Ordnungsdienst. 

Waren es nach Angaben des Ordnungsreferats im Jahr 2017 noch acht Fälle von Körperverletzungen und Widerstandshandlungen, lag die Zahl im vergangenen Jahr bei 55 Fällen. Beleidigungen, Bedrohungen, Sachbeschädigung und sonstige Tatbestände sind dabei noch gar nicht eingerechnet. Wie Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) kürzlich betonte, sei Amtsleiter Andreas Bleymeier und ihm besonders wichtig, dass die Mitarbeitenden bestmöglich ausgebildet werden. Vor allem auf Kommunikation und Deeskalation würde Wert gelegt. Die Art der Ansprache der Ordnungsdienst-Mitarbeiter ist dabei ein Punkt, der von unseren Leserinnen und Lesern in der Vergangenheit immer wieder mal als mitunter zu "oberlehrerhaft" kritisiert wurde.

Augsburg habe den "besten Ordnungsdienst" seit seinem Bestehen

"Grundsätzlich fühlt sich für den Angesprochenen Kritik immer negativ an", weiß Dozent Bischoff aus Erfahrung. Kleine Dinge würden da schon helfen. Sich höflich vorzustellen etwa, denjenigen auf offener Straße etwas zur Seite und aus dem Fokus anderer Menschen zu nehmen. Erklären, was er falsch gemacht habe. "Man muss in der Lage sein, sich in den anderen Menschen hineinzuversetzen und verstehen, dass er in dem Moment frustriert ist. Nicht gleich belehrend werden." Dennoch sei es wichtig, den Betroffenen klarzumachen, dass ihr Verhalten ursächlich ist. Manche Situationen würden oft zu einer Gratwanderung.

Der 56-jährige Kursteilnehmer Michael Schmid lobt die regelmäßigen Schulungen. Er arbeitet seit 17 Jahren im Ordnungsdienst und findet, dass Augsburg derzeit den besten Ordnungsdienst seit seinem Bestehen habe. "Unsere Arbeit wird immer anspruchsvoller. Die Menschen werden uns gegenüber immer aggressiver und wertmindernder, aber wir werden dafür hervorragend ausgebildet." Obwohl sie relativ bald nach ihrem Diensteintritt bei dem Einsatz in der Bahnhofstraße an ihrer Hand verletzt wurde, hat sich seine Kollegin Angelika Aksoy nicht ins Bockshorn jagen lassen. "So etwas gehört wohl einfach zum Job dazu", sagt die 35-Jährige.

 
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