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Augsburg
Mehr Fälle von Geschlechtskrankheiten in Augsburg – woran liegt das?
Laut Augsburger Fachleuten häufen sich sexuell übertragbare Krankheiten (STI). Paradox: Die Entwicklung hängt wohl auch mit medizinischem Fortschritt zusammen.
Max Kramer
 |  aktualisiert: 11.03.2024 13:25 Uhr

Ein Brennen, ein Test, ein Ergebnis: Chlamydien. "Ich wollte es nicht glauben", erzählt ein Augsburger Mitte 20. Er führe ein normales Single-Leben, nicht exzessiv, aber doch regelmäßig mit "weiblichen Kontakten", wie er es nennt. Allzu viele Gedanken über sexuell übertragbare Krankheiten (STI) habe er sich dabei nie gemacht - bis an jenem Tag Ende vergangenen Jahres, als der Test anschlug. Ein "weiblicher Kontakt" war positiv getestet worden und hatte ihn zuvor informiert. "Zum Glück", sagt der Augsburger. So habe er die Infektion schnell in den Griff bekommen, auch wenn sie ihm im ersten Moment einen "ziemlichen Schrecken eingejagt" habe. Allein ist der Mann damit längst nicht. Sehr vieles deutet darauf hin, dass die Zahl der STI zunimmt - auch in Augsburg.

Die wohl bekannteste STI spielt in Augsburg nur noch eine untergeordnete Rolle. Nach Angaben der Stadt starben zwischen 2010 und 2020 in Augsburg insgesamt drei Personen an sogenannten HIV-Krankheiten. Neben HIV sind unter allen STI nur Syphilis und Hepatitis B meldepflichtig. Eindrücke von verschiedenen Stellen in Augsburg verdichten sich aber zu einem Gesamtbild. André Fuchs, Oberarzt Infektiologie am Universitätsklinikum Augsburg (UKA), erklärt auf Anfrage, er habe den Eindruck, dass STI "insgesamt und auch bei uns in Augsburg eher langsam zunehmen". Während die Zahl der HIV-Übertragungen aufgrund verbesserter Aufklärung und erfolgreicher Behandlungen deutschlandweit sinke und die im Sommer zwischenzeitlich aufgekommenen Affenpocken kaum noch eine Rolle spielten, stiegen die Fallzahlen anderer STI wie Syphilis, Gonorrhö oder Chlamydien-Infektionen.

STI: Sexuell übertragbare Krankheiten nehmen wohl auch in Augsburg zu

Nach Einschätzung des Infektiologen lässt sich die Zunahme von STI "ganz banal" erklären - nämlich durch eine Veränderung von Sexualpraktiken. "Mutmaßlich finden in einigen Teilen der Bevölkerung mehr Sexualkontakte mit wechselnden Partnerinnen oder Partnern statt, sodass die Wahrscheinlichkeit einer Neuansteckung und Weitertragung einer Erkrankung zunimmt", sagt Fuchs. Medizinische Fortschritte, etwa in Form vorbeugender Medikamente, hätten zudem dazu geführt, dass die Sorge vor einer HIV-Infektion gesunken sei. Dadurch werde immer häufiger auf Kondome verzichtet - mit der Folge, dass sich wiederum andere STI stärker verbreiteten. Manche von ihnen würden zudem häufig nicht diagnostiziert, da sie nur milde Symptome auslösten und im Lauf der Zeit von selbst zum Erliegen kämen, zum Beispiel Trichomoniasis.

Gesundheitsamtsleiter Thomas Wibmer weist auf Anfrage darauf hin, dass wegen der begrenzten Meldepflicht für Augsburg nur ein "Ausschnitt des Infektionsgeschehens" abgebildet werden könne. Er spricht aber ebenfalls von einer "aktuellen Zunahme von STI". Die weitaus größte Rolle spielten dabei Männer, die Geschlechtsverkehr mit Männern haben, kurz MSM. Auch Drogensüchtige hätten wegen der "Vernachlässigung von Schutzmaßnahmen" ein höheres Risiko. Im Gegensatz dazu kämen STI unter Prostituierten - anders als häufig vermutet - "im Allgemeinen nicht häufiger als in der Durchschnittsbevölkerung" vor, da in der Prostitution sowohl Kondompflicht als auch ein "Gesundheitsbewusstsein der Profession" herrschten.

Augsburg Gesundheitsamt schließt Beratungsstelle, AWO und Aids-Hilfe bieten Tests an

Während die STI-Beratungsstelle im Gesundheitsamt seit 2020 geschlossen ist - Wibmer nennt als Grund die Pandemie - dienen in Augsburg vor allem zwei Organisationen als Anlaufstelle für Betroffene: neben dem AWO-Zentrum für Aidsarbeit Schwaben (ZAS, Internetseite: www.zas-schwaben.de) auch die Augsburger Aids-Hilfe. Sie bietet neben telefonischer Beratung auch eine anonyme Testmöglichkeit für HIV und andere STI an - jeden ersten und dritten Dienstag im Monat nach Terminvereinbarung (0821/2592690). Ergebnis der vergangenen drei Jahre: Während positive Syphilis-Tests seltener wurden, verdoppelte sich die Zahl der Fälle von Chlamydien und Gonokokken (Tripper), wie Laura Will von der Augsburger Aids-Hilfe mitteilt. Insgesamt am häufigsten kämen Chlamydien und Tripper vor, bei Testprojekten mit der Drogenhilfe seien Hepatitis-C-Fälle "sehr häufig".

Um die Verbreitung von STI einzudämmen, bräuchte es nach Wills Einschätzung möglichst viel anonyme, niedrigschwellige Testangebote und Aufklärung, wie sie die Aids-Hilfe anbiete. Gesundheitsamtsleiter Wibmer ergänzt, die Verbreitung von Infektionen lasse sich am besten durch Prävention oder frühzeitige Erkennung und Behandlung vermindern. Auch sei wichtig, gesellschaftliche Vorurteile gegenüber STI, "die meist stigmatisierten Randgruppen zugeordnet werden", abzubauen. Zielgruppenspezifische Kampagnen, die etwa auf weniger riskantes Sexual- und verantwortungsvolleres Testverhalten abzielten, zeigten Wirkung. Gleichwohl habe sich 2022 bei Präventionsveranstaltungen in Schulen und Jugendeinrichtungen gezeigt, "dass mittlerweile das Grundwissen zu Sexualität bei Jugendlichen wohl pandemiebedingt deutlich abgenommen hat".

 
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