In Augsburg haben im vergangenen Jahr rekordverdächtig wenig Grundstücke, Häuser und Wohnungen den Eigentümer gewechselt. Angesichts der wirtschaftlichen Unsicherheiten und steigenden Kreditzinsen wurden nur 2660 Immobilien ge- oder verkauft – das ist ein Rückgang um ein Viertel gegenüber dem Vorjahr. Der Wert markiert einen der Tiefpunkte der vergangenen 40 Jahre. So wenig Immobilien wurden zuletzt in der Konjunkturflaute Anfang der 2000er-Jahre und in der Finanzkrise 2007 verkauft. Das ergeben Zahlen des städtischen Gutachterausschusses– ein Gremium aus Sachverständigen, das im Auftrag der Stadt jährlich alle Transaktionen auswertet. Hier die wichtigsten Kennzahlen – auch zu Immobilienpreisen – aus dem jetzt vorliegenden Bericht.
Wie entwickeln sich die Immobilienpreise in Augsburg?
Fürs ganze Jahr gerechnet gab es im Jahr 2022 noch Steigerungen. Beispiel Wohnungen: Hier wurden 2022 im Schnitt 4529 Euro pro Quadratmeter fällig, im Vorjahr waren es 4219 Euro. Allerdings, so Ron Hinz, Geschäftsstellenleiter des Gutachterausschusses bei der Stadt Augsburg, habe hier das erste Halbjahr 2022 noch preistreibend gewirkt, in der zweiten Jahreshälfte habe sich ein Rückgang angebahnt. Dieser setze sich 2023 fort, etwa in einer Größenordnung von 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Auch eine zuletzt vom Immobilienportal Immowelt veröffentlichte Auswertung der Inserate geht für Augsburg davon aus, dass der Kaufpreis zwischen Juni 2022 (5351 Euro pro Quadratmeter) und Juni 2023 (4693 Euro pro Quadratmeter) um zwölf Prozent gesunken sei. Allerdings muss man diesen Rückgang angesichts der Preisexplosion der vergangenen Jahre relativieren: In den vergangenen zehn Jahren stiegen die Quadratmeterpreise jedes Jahr um mindestens sieben Prozent, in der Spitze um 19 Prozent, so die Zahlen des Gutachterausschusses.
Was ist ein Haus wert?
Auch hier gingen die Preise, wenn man das ganze Jahr betrachtet, noch mal nach oben. Für ein gebrauchtes Einfamilienhaus waren in Augsburg im Schnitt 840.000 Euro zu zahlen, für ein Reiheneckhaus 690.000 Euro und für ein Reihenmittelhaus 590.000 Euro. Auch wenn es hier 2023 zu Preisrückgängen kommen sollte, machen sie im Vergleich zu den Steigerungen der Vergangenheit nur einen Bruchteil aus. Zum Vergleich: 2018 waren für ein Einfamilienhaus 500.000 Euro, für ein Reiheneckhaus 440.000 Euro und für ein Reihenmittelhaus 388.000 Euro angesagt.
Wer kauft Immobilien in Augsburg?
Inzwischen werden weniger als die Hälfte der Immobilien von Augsburgern gekauft. Lag der Anteil der Augsburger 2018 noch bei 56 Prozent, waren es im vergangenen Jahr 49 Prozent. Gestiegen ist der Anteil von Käufern aus anderen Bundesländern von 1,8 (2018) auf 6,4 Prozent im vergangenen Jahr – ein Hinweis darauf, dass Augsburg für Kapitalanleger interessanter geworden sein dürfte. Der Anteil an Münchner Käufern liegt bei knapp zwölf Prozent, der Käufer aus dem restlichen Bayern (dies beinhaltet auch die Nachbarlandkreise) liegt bei knapp 33 Prozent.
Lohnt sich ein Kauf?
Angesichts der Preisexplosion bei den Kaufpreisen der vergangenen Jahre ist der Zeitraum länger geworden, ab dem sich ein Kauf lohnt, sei es für Kapitalanleger oder für Eigennutzer. Denn im Verhältnis zu den Kaufpreisen sind die Mieten in den vergangenen Jahren geringer gestiegen. Damit sich ein Kauf rechnet, müsste man eine Immobilie einer Modellrechnung zufolge 35 lang halten – 2015 habe dieser Faktor noch bei etwa 22 gelegen, so der Immobilienmarktbericht. Hinzu kommt, dass die Kreditzinsen gestiegen sind – das steigert die finanzielle Belastung beim Kauf noch weiter.
Wie geht es weiter?
Der Gutachterausschuss trifft keine Prognosen. Bei der Immobilienfinanzierung der Augsburger Hypovereinsbank sieht man mehrere Entwicklungen, die teils gegenläufig sind – und deren Gesamtergebnis noch nicht verlässlich absehbar ist. Die gestiegenen Kreditzinsen machen den Kauf für Interessenten, die mit Kredit finanzieren müssen, insgesamt teurer. Wer einen gewissen Eigenkapitalanteil mitbringe, könne aber von aktuell sinkenden Preisen profitieren. "Denn in Immobilien investiertes Geldvermögen ist der Inflation erst einmal entzogen", so Regionalbereichsleiter Martin Schießwohl. Inzwischen werde genauer überlegt, welche Größe und Ausstattung zu den finanziellen Möglichkeiten passe. Insgesamt seien die Zinsen im historischen Vergleich immer noch moderat. Allerdings stehen sie Kaufpreisen gegenüber, die in der jahrelangen Niedrigzinsphase explodierten. Die jetzt fällige Marktanpassung stehe erst am Anfang, wobei man nicht so recht sagen könne, wie weit und wie dauerhaft Kaufpreise sinken, so Schießwohl. Denn grundsätzlich erwarte Augsburg weiter Zuzug und habe zu wenig Wohnungen, was auch steigende Mieten zur Folge haben dürfte. Häuser in schlechterer Lage oder mit energetischem Sanierungsbedarf dürften am stärksten von einem Preisrückgang betroffen sein. In guten Lagen könne man aber mindestens von einem gleichbleibenden Niveau ausgehen.
Wie unterscheiden sich Stadt und Umland?
Die Hypovereinsbank geht in Stadt und Umland von einer fast identischen Marktlage aus. In Augsburg sieht die Bank aufgrund eigener Zahlen für eine gebrauchte Eigentumswohnung in mittlerer bis guter Lage einen Quadratmeterpreis zwischen 3300 und 5200 Euro. Im Umland wird es günstiger, in den großen Städten ist das Preisniveau aber auch gehoben. Beispiele: Bobingen/Schwabmünchen (3100 bis 4900 Euro), Gersthofen (3400 bis 5100 Euro), Königsbrunn (3300 bis 5100 Euro), Neusäß/Stadtbergen (3400 bis 5500 Euro), Aichach (3500 bis 4900 Euro), Friedberg (3700 bis 5100 Euro), Kissing/Mering (3600 bis 5600 Euro).
Der Immobilienmarktbericht des Gutachterausschusses ist für 50 Euro unter boris-bayern.de erhältlich.