Als Werner Ginzel vom Grauen hörte, das sich am späten Freitagabend in Langweid ereignet hatte, da kam ihm recht bald ein Gedanke. "Hoffentlich kein Sportschütze." Die Hoffnung des langjährigen Vorsitzenden des Schützengaus Augsburg erfüllte sich nicht. Gerhard B., der 64-Jährige, der in der 9000-Einwohner-Ortschaft im Landkreis Augsburg drei Personen getötet und zwei weitere schwer verletzt haben soll, ist Sportschütze und besitzt mehrere Waffen legal. Weshalb nun auch in Augsburg Fragen laut werden – denn die Zahl der scharfen Waffen, die in der Stadt im Umlauf sind, steigt.
Augsburg gilt statistisch als zweitsicherste Großstadt in Bayern. Trotzdem sind immer mehr scharfe Waffen in Umlauf, wie Zahlen des Ordnungsamts zeigen. Mit Stichtag 31. Dezember 2021 waren demnach in Augsburg rund 8900 erlaubnispflichtige Schusswaffen registriert – ein Anstieg von rund zehn Prozent im Vergleich zu 2015. Der Großteil entfällt auf Sportschützen (rund 3380), Jäger (rund 3230) und Sammler. Die Erlaubnis, eine scharfe Waffe öffentlich zu tragen, haben – von Polizistinnen und Polizisten abgesehen – demnach nur zwei Personen. Sie müssen dafür eine entsprechende Notwendigkeit nachweisen. Weitaus mehr Menschen haben einen "Kleinen Waffenschein" und dürfen eine – "unscharfe" – Schreck-, Reizschuss- und Signalwaffe (SRS-Waffen) bei sich tragen: Ende 2021 waren es gut 2000, die Stadt spricht angesichts eines Anstiegs um rund 155 Prozent seit 2015 von einer "extremen Zunahme".
Die Zahl der scharfen Waffen und Waffenscheine in Augsburg steigt
SRS-Waffen stellen zwar bisweilen die Polizei vor Herausforderungen, da sie von scharfen im ersten Moment kaum zu unterscheiden sind. Lebensgefährliche Verletzungen verursachen sie aber in der Regel nicht – anders als scharfe Waffen. Angesichts des beobachtbaren Anstiegs hat die Stadt ihre Kontrolltätigkeit nach Auskunft von Ordnungsreferent Frank Pintsch (CSU) "deutlich gesteigert". Man habe das Ordnungsamt 2022 mit einer zusätzlichen Kraft verstärkt, erfülle die gesetzlichen Vorgaben "klar" und gehe "auch darüber hinaus". Was er meint: Gesetzlich müssen Waffenbehörden mindestens alle drei Jahre überprüfen, ob und inwiefern Besitzerinnen und Besitzer scharfer Waffen "zuverlässig" sind – etwa über entsprechende Abfragen bei Verfassungsschutz und Polizei. In Augsburg liegt dieser Turnus laut Pintsch "fast bei zwei Jahren". Auch bei – in der Regel unangekündigten – Kontrollen der ordnungsgemäßen Aufbewahrung liege die Stadt über der vorgegebenen Quote. Man sei deshalb "gut aufgestellt".
Immer wieder ergeben die Kontrollen in Augsburg auch Unregelmäßigkeiten. 2022 wurden laut Pintsch zehn Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet, in diesem Jahr waren es deren vier sowie fünf Strafanzeigen. Auf Grundlage von Kontrollen hätten 2022 drei Waffen zurückgegeben werden müssen, 2023 waren es zwei. Nach Auskunft von Pintsch geht es bei den festgestellten Unregelmäßigkeiten oft um die unsachgemäße Lagerung der Waffen, vereinzelt aber auch um unerlaubten Besitz von Munition oder Waffen. Bei der Bewertung der Zuverlässigkeit könnten auch Anhaltspunkte wie etwa Alkoholfahrten eine Rolle spielen – um jemandem eine Waffe abnehmen zu können, brauche es aber "erhebliche Verdachtsmomente". Wie viele illegale Waffen in Augsburg im Umlauf sind, lässt sich demnach nicht sagen, Pintsch geht aber von einem "sehr geringen Dunkelfeld" aus.
Bluttat in Langweid Sportschützen und Jäger wehren sich gegen Generalverdacht
Dass vor dem Hintergrund der Tat in Langweidnun wieder verstärkt über eine Verschärfung des Waffenrechts diskutiert wird, stößt bei Sportschütze Ginzel auf Unverständnis. "Die Kontrollen und Überprüfungen sind – vollkommen zu Recht – engmaschig", sagt Ginzel. Dies bestätigt auch Sergey Reznik, Sportleiter beim Schützenverein Altstadt, einer von rund zwei Dutzend Schützenvereinen in Augsburg, mit knapp 100 Mitgliedern. Die Schützinnen und Schützen müssten über die Vereine nachweisen, dass sie tatsächlich sportlich aktiv seien und die Waffen deshalb zu Recht besäßen. Auch in deren Privaträumen, wo Waffen in gesicherten Schränken aufbewahrt werden müssen, fänden regelmäßig Kontrollen statt. Solange Behörden die bestehenden Regeln wie vorgesehen kontrollierten – was in Augsburg gut funktioniere –, brauche es keine Verschärfung. Illegale Waffen seien ein deutlich größeres Problem als legale. Ende 2021 wurden in Augsburg 132 Waffen als verschwunden gemeldet.
Sportschützinnen und Schützen dürfen ihre Waffe im Schützenheim nutzen, Jägerinnen und Jäger ihre im jeweiligen Revier. Pintsch betont, "dass es keinerlei Pauschalverdacht gegen legale und rechtlich zulässige Waffenbesitze gibt und wir dies selbstverständlich im Rahmen der Gesetze achten". Zugleich sei es eine Selbstverständlichkeit, "dass Waffenkontrollen regelmäßig und in der notwendigen Tiefe und Nachdrücklichkeit stattfinden, da Waffenbesitz äußerst sensibel ist und ein hohes Maß an Zuverlässigkeit erfordert".
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