Es gibt viel Schönes, für das Augsburg bekannt ist – ob es die Nähe zur Natur ist, die besondere Historie oder das Friedensfest. Doch dann haftet der Stadt ein hartnäckiger Ruf an, der auf eine weniger schöne Seite hindeutet: Augsburg gilt als ärmste Stadt in Bayern. Das ist nicht nur ein Ruf, sondern Fakt, wie Untersuchungen zeigen. Die Entwicklung dahinter bringt wenige Gewinner hervor – und viele Verlierer.
96 Landkreise und kreisfreie Städte zählt Bayern, nirgendwo sonst haben die Menschen im Freistaat weniger Einkommen zur Verfügung als in Augsburg. Nach Zahlen des Bayerischen Landesamts für Statistik, die sich auf das Jahr 2020 beziehen, liegt es in der Stadt bei 21.173 Euro. Der Schnitt in ganz Bayern bewegt sich bei rund 25.900, der in Schwaben bei rund 24.700 Euro. Zum Vergleich: München liegt bei knapp 31.900 – und damit 50 Prozent darüber.
Dass zwischen den Regionen in Bayern teils große Einkommensunterschiede bestehen, ist nicht neu. Forscherinnen und Forscher des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) haben nun genauer untersucht, wie sie sich zwischen 1991 und 2018 entwickelt haben – und kommen zum grundsätzlichen Schluss, dass die Diskrepanz abnimmt. Augsburg scheint dabei allerdings eine Sonderrolle einzunehmen, weil zwei ungünstige Entwicklungen aufeinanderprallen.
Einkommensvergleich: Augsburg liegt in Bayern auf dem letzten Platz
Da ist zunächst das Einkommen als solches, das sich seit Langem auf vergleichsweise niedrigem Niveau bewegt. Anhaltspunkte für diese Entwicklung liefert die Agentur für Arbeit mit Zahlen für das Jahr 2021. In vielen Kategorien, die sich auf das Einkommen auswirken, schneidet Augsburg ungünstig ab. Seit 2005 stieg etwa die Zahl der Beschäftigten bayernweit um 34,1 Prozent, in Augsburg "nur" um 21,7 Prozent. Auch in den Bereichen Langzeitarbeitslosigkeit (32,3 Prozent in Augsburg, 27,3 in Bayern), Teilzeitarbeit (31,9 Prozent in Augsburg, 28,2 in Bayern) und Frauen-Beschäftigung (57,1 Prozent in Augsburg, 60,6 in Bayern) hinkt die Stadt hinterher.
Hinter diesen Entwicklungen steht ein Zusammenspiel verschiedener Gründe. Eine wichtige Rolle spielt der Strukturwandel. Als ein Gradmesser gilt der sogenannte Tertiarisierungsgrad, der die Bedeutung des Dienstleistungssektors in einer Region anzeigt – je höher er liegt, desto weiter ist der Strukturwandel fortgeschritten. In Augsburg liegt der Tertiarisierungsgrad bei 76,9 Prozent. Dieser Wert liegt zwar deutlich über dem bayerischen Schnitt (67,7 Prozent), gleichzeitig aber unter dem Niveau anderer Großstädte wie München (84,7 Prozent) oder Nürnberg (80 Prozent). Nach Einschätzung von Roland Fürst, Geschäftsführer Operativ der Agentur für ArbeitAugsburg, wirkt unter anderem nach wie vor der "Niedergang der Textilindustrie" nach.
Fürst verweist auf weitere Bereiche, die sich auf das Einkommensniveau auswirken könnten: etwa der Ausländeranteil (in Augsburg 23,2 Prozent, in Bayern 14,1), der Anteil von Leistungsberechtigten (in Augsburg bei 7 Prozent, in Bayern 3,8) sowie – Stichwort Bildung – der Anteil der Erwerbspersonen ohne Berufsausbildung (in Augsburg bei 18,1 Prozent, in Bayern bei 12,5).
Gehaltsunterschiede in bayerischen Städten: Münchner Mietpreise strahlen aus
Dieses Zusammenspiel trifft gewissermaßen auf einen speziellen "Standortnachteil". "Augsburg hat den ,Nachteil', so nahe an München zu sein", sagt Frank Swiaczny, Co-Autor der BiB-Studie, die regionale Unterschiede untersucht hat. Von der Landeshauptstadt gingen "sehr starke Ausstrahlungs-Effekte" aus: "Je besser München für Pendler erreichbar ist, desto höher fallen die Mieten aus." Mit der Folge, dass in Augsburg ein vergleichsweise niedriges Einkommens- auf ein vergleichsweise hohes Mietpreisniveau treffe. In der Studie landet Augsburg beim "mietpreisgewichteten Einkommen", das das Einkommen ins Verhältnis zum örtlichen Mietpreisniveau setzt, bayernweit auf dem letzten Platz. Während der bayernweite Durchschnittswert bei 100 festgesetzt ist, bewegt sich die Stadt Augsburg bei 77,61, der Landkreis Augsburg bei 99,34 und Aichach-Friedberg bei 100,42.
Dass das Einkommensniveau in größeren Städten unterhalb von dem umliegender Landkreise liegt, ist nach Einschätzung von Swiaczny nicht unüblich, München bilde da eher eine Ausnahme. Im Vergleich zum bayernweiten Schnitt – vor allem im Vergleich zum benachbarten Oberbayern – habe Augsburg aber einen relativ hohen Sozialleistungsbezug. Und so komme es, dass es in Augsburg insgesamt "Gewinner und Verlierer" gebe: "Wer in Augsburg noch günstig lebt und Münchner Gehälter beziehen kann, der profitiert von dieser Konstellation. Wer ein ,Augsburger' Gehalt bezieht und dort in eine neue, vergleichsweise teure Wohnung umziehen muss, hat dadurch eine vergleichsweise geringere Kaufkraft."