Landrat Klaus Metzger kommt sofort auf den Punkt: "Es ist ein Skandal, dass so etwas in unserem Wittelsbacher Land stattgefunden hat." Das Treffen der postfaschistischen Identitären Bewegung (IB) im Dasinger Bäckerwirt Anfang November, über das unsere Redaktion am Mittwoch exklusiv berichtet hat, schlägt deutschlandweit hohe Wellen und sorgt für Erschütterung vor Ort im Landkreis.
Zwei Wochen vor dem "Geheimtreffen" in Potsdam mit dem Neofaschisten Martin Sellner, ein führender Kopf der IB, kamen im Dasinger Saal unter anderem höchst umstrittene AfD-Landtagsabgeordnete wie Daniel Halemba (Unterfranken) und Franz Schmid (Neu-Ulm) zusammen. Bei der Veranstaltung in der Ortsmitte, an der laut Hauptredner Sellner gut 60 Leute teilnahmen, wurde wie auch in Potsdam über das Thema "Remigration" gesprochen. Rechtsextreme meinen mit diesem Begriff letztlich die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund. Seit Wochen gehen deswegen Millionen Menschen in Deutschland auf die Straßen und demonstrieren.
Sellner und Ahrens bei Treffen Rechtsextremer im Kreis Aichach-Friedberg
Neben Sellner trat im Bäckerwirt der AfD-nahe Aktivist Erik Ahrens als Redner auf. Ahrens, Mitarbeiter des AfD-Spitzenkandidaten für die Europawahl, Maximilian Krah, hatte 2023 für Schlagzeilen gesorgt, als er in einem Post auf X (vormals Twitter) die Musterung von Frauen forderte – und bei Eignung die Zwangsabgabe von Eizellen, "um die Demografie zu stabilisieren". Eine Idee, die an nationalsozialistische Rassenideologie erinnert. Ahrens hat sich vergangene Woche in einem neuen Post von der Aussage distanziert.
Für Landrat Metzger (CSU) ist nicht nur die rechtsextreme Veranstaltung in seinem Landkreis an sich ein Skandal: "Dass mindestens ein Kreisrat daran teilgenommen hat, ist ebenfalls ein Skandal." Wie berichtet, hat AfD-Kreisrat Simon Kuchlbauer auf zweimalige Nachfrage eingeräumt, dabei gewesen zu sein. AfD-Kreisvorsitzender und Kreisrat Paul Traxl lehnte eine Aussage dazu, ob er anwesend war, gegenüber unserer Redaktion am Dienstag, ab: "Kein Kommentar." Josef Settle, AfD-Fraktionschef im Kreistag, teilte dagegen mit, dass er nicht dabei gewesen sei. Für Metzger ist es bezeichnend, dass Kuchlbauer angegeben hat, dass es zu seinen Aufgaben als Kreisrat gehöre, sich persönlich ein Bild von so einer Veranstaltung zu machen. Metzger: "Das muss mir mal einer erklären, warum ein Kreisrat bei einer menschenverachtenden Versammlung dabei sein muss."
Am Wochenende waren in Aichach und Friedberg Tausende Menschen gegen Rechtsextremismus auf die Straße gegangen. Jacoba Zapf vom Frauenforum Aichach-Friedberg gehört zu den Organisatorinnen dieser Kundgebungen. Am Mittwoch ist ihr die Aufregung am Telefon deutlich anzumerken. Sie hat gerade erst in der Zeitung gelesen, dass es ein Treffen der rechtsextremen Identitären Bewegung in Dasing gab. "Natürlich weckt das bei mir Emotionen, das empfinde ich als sehr bedrohlich."
Angesichts des Treffens in Dasing fordert sie Konsequenzen. Es sei sehr wahrscheinlich, dass bei einer Veranstaltung mit über 60 Leuten auch Menschen aus der Umgebung geholfen hätten. "Da muss man jetzt durchgreifen", findet sie. "Das kann man nicht einfach durchgehen lassen." Nicht ausgeschlossen, dass das Frauenforum selbst nach den Enthüllungen in nächster Zeit noch einmal gegen Rechtsextremismus aktiv wird. "Wir entwickeln Ideen", so Zapf.
Treffen der Identitären Bewegung in Dasing: Friedberger Bürgermeister will reagieren
Die Stadt Friedberg hatte als Mitveranstalterin der dortigen Kundgebung firmiert. Bürgermeister Roland Eichmann (SPD) bezeichnet es am Mittwoch als "Alarmsignal", dass ein solches Treffen nun auch im Wittelsbacher Land stattfand. "Das zeigt, dass wir diese Bedrohung nicht woanders haben, sondern hier im Landkreis." Es habe zwar schon früher Neonazis gegeben, deren Gruppen seien aber kleiner gewesen. "Dass es einen solch breiten Schulterschluss von rechten Kräften gibt, hat man sehr lange nicht mehr gesehen." Das habe eine neue Qualität.
Vonseiten der Stadt werde man sich eine Reaktion überlegen. Aber es gehe dabei nicht nur um Demos. "Möglicherweise müssen wir auch andere Dinge machen, beispielsweise mehr in die politische Bildung von Jugendlichen investieren." So könne man diesen die Werkzeuge in die Hand geben, um mit rechtsextremem Gedankengut umzugehen. Eichmann selbst findet das in Dasing propagierte Gedankengut unfassbar. "Hier geht es um Menschen, die deportiert werden sollen." Man müsse sich vehement wehren. "Sonst brauchen wir uns als demokratische Gesellschaft nicht zu wundern, wenn wir irgendwann in einer Welt ohne Freiheit aufwachen."
Daniel Hauke, Veranstaltungsleiter der Demo gegen rechts in Aichach, bezeichnet das Treffen in Dasing als "erschreckend" und gleichzeitig erwartbar: "Wir wussten doch alle, dass solche Veranstaltungen wie in Potsdam kein Einzelfall sind." Er spürt zunehmende Gleichgültigkeit in Teilen der Gesellschaft: "Haben sich halt wieder ein paar Nazis getroffen."
Auf der anderen Seite zeigten die Demos, dass Menschen das nicht mehr hinnehmen wollen. Und die Teilnehmerzahlen von "vernünftigen Demokraten" im Gegensatz zu denen bei Veranstaltungen von AfD oder Rechtsextremen sprächen Bände. Die Rückmeldung in sozialen Medien zur Demo aus der rechten Ecke seien bodenlos, sagt Hauke, stellvertretender Ortsvorsitzender der Aichacher SPD. "Wir können nur hoffen, dass es noch nicht zu spät ist."