Minusgrade im zweistelligen Bereich herrschten am Wochenende, als ein Landwirt in Holzburg (Landkreis Aichach-Friedberg) elf Anwesen die Heizung abdrehte. Punkt Mitternacht vom 1. auf den 2. Dezember kam keine Wärme mehr durch die Leitungen. "Es war so kalt, dass wir in der Früh nur noch 8 Grad im Haus hatten", erzählt Waltraud Nebert, die sich mit mehreren Betroffenen zum Gespräch mit unserer Redaktion getroffen hat. Die Bestürzung ist spürbar: "Menschlich ist das hier eine Vollkatastrophe", sagt Beate Entian, die mit ihrem Pferdehof einen besonders hohen Wärmebedarf hat.
Denn die Anwohner und der Betreiber der Biogasanlage sind nicht nur Geschäftspartner, sondern auch Nachbarn. Begonnen hatte das Ganze als vielversprechendes Vorzeigeprojekt. 2010 hatten sich die Anwohnerinnen und Anwohner mit dem Landwirt zusammengetan. Der Bauer vereinbarte, die elf Haushalte mit Abwärme aus seiner Biogasanlage zu beliefern. Die Abnehmer, zusammengeschlossen zur Wärmenetz-GBR, errichteten das dafür nötige Fernwärmenetz auf eigene Kosten und auf eigenem Grund.
Anwohner haben Fernwärmenetz in Holzburg auf eigene Kosten errichtet
Auch die nötige Pumpe betrieben sie auf eigene Kosten. Dafür erhielten sie die Wärme kostenlos, der entsprechende Vertrag hatte eine Laufzeit bis 2029. Der Betreiber der Biogasanlage erhielt für die genutzte Wärme wiederum staatliche Subventionen über das Kraft-Wärme-Kopplungs-Gesetz. "Wir haben damals viel Geld in die Hand genommen", erinnert sich Waltraud Nebert, die zu den Initiatoren des Projekts gehörte. "Es war eine richtige Aufbruchstimmung, die Dorfgemeinschaft wuchs dadurch enger zusammen", erzählt sie. Viele bauten für das Wärmenetz ihre Häuser und Heizanlagen um.
Doch 2018 habe der Landwirt die getroffene Regelung erstmals infrage gestellt, berichtet Sabine Herter. Damals hätten ihm wegen einer Änderung der Steuergesetzgebung Umsatzsteuerzahlungen gedroht. Als Kompromiss habe man sich schließlich bereit erklärt, zwei Cent pro Kilowattstunde zu zahlen und dies in einem neuen Vertrag festgelegt, der ebenfalls eine Laufzeit bis 2029 hat, erklärt Tony Huber. Doch im August 2022 habe der Bauer wieder einen Vertrag vorgelegt, den die Wärmeabnehmer unterzeichnen sollten. Formaler Vertragspartner darin sei plötzlich nicht mehr die bisherige GBR des Landwirts gewesen, sondern eine GmbH, schildert Huber.
Die Firma sei umgewandelt worden, habe der Betreiber den Anwohnern gesagt. Die Konditionen des Vertrags empfinden sie jedoch als unzumutbar: Der Preis für die Abwärme hätte sich vervierfacht. Außerdem wäre eine hohe Mindestabnahmemenge vorgeschrieben. "Mit allen Haushalten verbrauchen wir in unserer GBR 360.000 Kilowattstunden im Jahr, laut dem neuen Vertrag wäre die künftige Mindestabnahme 750.000 kWh", erklärt Waltraud Nebert. Eine Vertragsklausel mache zudem automatische Preissteigerungen möglich. Die Nutzer im Fernwärmenetz lehnten ab, der Ton verschärfte sich.
Biogasbetreiber und Anwohner in Holzburg können sich nicht einigen
Die Anwohner ließen sich juristisch beraten. Sie unterzeichneten den Vertrag nicht und leisteten ihre Zahlungen zwar weiter, allerdings an die frühere GBR, mit der sie ihren ursprünglichen Vertrag hatten. Laut Huber kündigte der Betreiber der Biogasanlage im Februar 2023 wegen ausbleibender Zahlungen. Die Holzburger widersprachen der Kündigung vor Gericht. Dieses entschied, dass beide Parteien bis November 2023 Zeit hätten, sich zu einigen. "Wir haben es wirklich versucht, aber es war nicht möglich", sagt Beate Entian.
So verstrich die Frist ohne Ergebnis. Nun muss das Gericht per Vertragsfeststellungsklage entscheiden, ob der bisherige Vertrag der Anwohner gültig ist oder der neue, den der Betreiber durchsetzen möchte. Das Problem: Der Gerichtstermin ist erst im März festgesetzt. Einen erneuten Eilantrag auf Fristverlängerung hatten die Anwohner zu spät eingereicht, wie der Bayerische Rundfunk über die Ereignisse in Holzburg berichtete. Und so stellte der Landwirt jetzt die Wärmezufuhr ab.
Der Betreiber der Biogasanlage schildert die Situation anders. Über seinen Rechtsanwalt Bernhard Prediger widerspricht er einigen Aussagen der Anwohner. Demnach sei in dem strittigen Vertragsentwurf der Preis nicht mit acht Cent pro Kilowattstunde angegeben gewesen, sondern mit fünf Cent. Für die Kündigung vonseiten des Betreibers, die jetzt zur Abstellung der Heizung führte, habe es eine Vielzahl von Gründen gegeben - allen voran der Zahlungsverzug.
Grundsätzlich habe ein Wärmelieferant durchaus das Recht, seine Preise anzupassen - selbst wenn wie in Holzburg ein langfristiger Vertrag besteht. Die Erhöhung sei nötig, weil bei den Vorprodukten, vor allem Mais, die Kosten geradezu explodiert seien. Die 750.000 Kilowatt im Jahr seien keine Mindestabnahmemenge, sondern die Maximalleistung - tatsächlich wäre laut dem Anwalt weiterhin nach konkretem Verbrauch abgerechnet worden.
Holzburger stehen ohne Heizung und ohne warmes Wasser da
Den ganzen Winter ohne Heizung und warmes Wasser: das ist nicht möglich. Deswegen haben sich die Betroffenen um Alternativen bemüht, die teils teuer zu Buche schlagen. Sabine Herter hat eine mobile Elektroheizung gemietet. Diese verursacht 1200 Euro Stromkosten im Monat plus 800 Euro Mietgebühr. Längerfristig wird es kompliziert. Denn sie hat sich schon während des Hausbaus für das Fernwärmenetz entschieden und ihr Haus hat deshalb keinen Kamin. Jetzt auf eine andere Heizung umzurüsten, wird schwierig.
Jutta Kistler harrte drei Tage in ihrer wärmsten Kleidung aus, bis es ihr gelang eine Ölheizung zu mieten: für 50 Euro am Tag plus Kosten fürs Heizöl. Zusätzlich braucht sie im Schlafzimmer einen Radiator. Waltraud Nebert hatte dagegen noch Glück: Sie konnte ihre alte Ölheizung wieder in Betrieb nehmen.
Ein Zurück zum Fernwärmenetz schließen die meisten aus. "Es ginge auch gar nicht. Bei uns ist die Übergabestation auf dem Dach. Da ist alles eingefroren und die Leitungen sind aufgeplatzt", sagt Dieter Maruschtik. Der Installationsmeister will diese Woche noch eine Gasheizung einbauen. "Ich hoffe jetzt, dass wir in irgendeiner Weise finanzielle Unterstützung bekommen - und dass wir am Ende vor Gericht Erfolg haben", sagt Beate Entian.